Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitgegenstand. Ersetzung des vorläufigen Bescheides durch die endgültige Entscheidung. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Überschreitung der Angemessenheitsgrenze. Notwendigkeit der erneuten Kostensenkungsaufforderung nach Unterbrechung des Leistungsbezugs. Angemessenheit. Schonfrist. Untervermietung. Einkommen

 

Orientierungssatz

1. Der endgültige Bescheid über die Höhe der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 ersetzt den gem § 328 SGB 3 erlassenen vorläufigen Bescheid und wird gem § 96 Abs 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens.

2. Zur Notwendigkeit einer erneuten schriftlichen Aufforderung gem § 22 Abs 1 S 3 SGB 3 zur Senkung unangemessener Unterkunftskosten eines Hilfebedürftigen, dessen Unterkunftskosten die Angemessenheitsgrenze des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 nur geringfügig überschreiten und der nach sechsmonatiger Unterbrechung des Leistungsbezugs durch das Einkommen aus einer tragfähigen und mehr als bedarfsdeckenden selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt wegen Einkommensschwankungen erneut Leistungen beantragt hat.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 11; SGB X § 39 Abs. 2; SGG § 96 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2013 aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04. April 2013 verurteilt, dem Kläger für die Monate Juli bis Dezember 2012 höhere Leistungen zur Grundsicherung unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 € zu gewähren.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Grundsicherung für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 Euro.

Der 1961 geborene Kläger, der seit Januar 2000 als Rechtsanwalt selbständig tätig ist, ist seit dem 1. September 2002 mit seinem Wohnsitz in der Z Straße, 1. Etage links, gemeldet. Er bewohnt eine 73,79 m2 große 3-Zimmer-Küche-Bad-Wohnung in einem Wohnhaus - Baujahr 1900 - mit einer Gesamtwohnfläche von 1144,30 m2. Die Wohnung wird zentral mit Erdgas beheizt, wobei auch die Warmwasserversorgung zentral erfolgt. Im streitigen Zeitraum hatte der Kläger ein Zimmer dieser Wohnung untervermietet und daraus Einkünfte in Höhe von 300,00 Euro monatlich bezogen.

Nachdem der Beklagte ihm für die Zeit vom 10. Februar 2010 bis zum 31. August 2010 sowie erneut für die Zeit vom 29. Dezember 2010 bis zum 30. Juni 2011 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt hatte, wies er den Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2011 darauf hin, dass seine Bruttowarmmiete unangemessen hoch sei und den Richtwert von 378,00 Euro für einen Einpersonenhaushalt in Berlin nach den AV-Wohnen übersteige. Auf die Stellungnahme des Klägers hierzu (Schreiben vom 28. Februar 2011) kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 2. März 2011 an, die tatsächlich anfallenden Kosten für die Unterkunft und Heizung des Klägers nur noch bis zum 30. September 2011 zu übernehmen. Nach Ablauf der Frist werde nur noch der Richtwert in Höhe von 378,00 Euro ohne einen Zuschlag von 10 % anerkannt.

Im Sommer 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für das zweite Halbjahr 2011 Arbeitslosengeld II, wobei er für Juli bis September 2011 die damaligen tatsächlichen Wohnkosten (Bruttowarmmiete von 692,04 Euro für Juli 2011 und von 702,34 Euro für August und September 2011), für den Zeitraum ab 1. Oktober 2011 bis 31. Dezember 2011 hingegen monatlich nur noch 378,00 Euro berücksichtigte. Das hiergegen gerichtete Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Das hierzu beim Sozialgericht Berlin geführte Klageverfahren (Aktenzeichen S 39 AS 29240/11) ist zwischenzeitlich beendet.

Nachdem der Kläger im ersten Halbjahr 2012 keine Leistungen vom Beklagten bezogen hatte, beantragte er am 30. Juli 2012 erneut Arbeitslosengeld II. Die Kosten seiner Mietwohnung gab er mit 490,00 Euro Grundmiete, 70,87 Euro kalte Betriebskosten und 141,47 Euro Heizkosten (= 702,34 Euro) abzgl. 300,00 Euro aus der Untervermietung eines Zimmers, mithin mit 402,34 Euro an.

Der Beklagte bewilligte ihm daraufhin für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 zunächst vorläufige Leistungen in Höhe von 254,67 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 389,00 Euro für die Kosten für Unterkunft und Heizung - Letzteres unter Hinweis auf die Richtwerte für die Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungen-Verordnung - WAV -) vom 3. April 2012 des Senats von Berlin (Bescheid vom 24. August 2012).

Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die vollständige Übernahme der Kosten seiner Wohnung verlangte (Widerspruch vom 28. September 2012), wies der Beklagt...

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