Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. vor- und nachstationäre Behandlung. Sonderform der ambulanten Versorgung. eigenständige Vergütungsregelung

 

Orientierungssatz

Bei der vor- und nachstationären Behandlung handelt es sich um eine Sonderform der ambulanten Versorgung, die nur bei vertragsärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung erbracht werden darf und im Vorfeld bzw Nachgang zu einer vollstationären Behandlung stattfinden muss (vgl BSG vom 10.3.2010 - B 3 KR 15/08 R = SozR 4-2500 § 115a Nr 1, RdNr 10). Es handelt sich um eine Leistungserbringung eigener Art, die von der vollstationären, der teilstationären und der ambulanten Krankenhausbehandlung zu trennen ist und dementsprechend auch über eine eigenständige Vergütungsregelung verfügt.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kosten für eine vorstationäre Krankenhausbehandlung.

Der Kläger betreibt das Krankenhaus W. Am 10. April 2008 verordnete der Vertragarzt S eine Krankenhausbehandlung der Frau R W - Versicherte -, die Mitglied der Beklagten ist, zur weiteren Diagnostik - urodynamische Messung - bei mittelschwerer Stressinkontinenz mit Drangkomponente bei voller Blase. Nachdem die Beklagte die Kostenübernahmebestätigung ab dem Aufnahmetag zugesagt hatte, führte der Kläger bei der Versicherten in seiner Abteilung Frauenheilkunde am 18. April 2006 vorstationär eine Urodynamik durch. Die Rechnung in Höhe von 119,13 Euro wurde von der Beklagten bezahlt, der Kläger jedoch um einen Kurzbericht gebeten. Nachdem dieser am 14. Juni 2008 eingegangen war, beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung - MDK - mit einer Überprüfung. Dieser führte hierüber ein Fallgespräch mit dem verantwortlichen Oberarzt, in dem nach den Aufzeichnungen des MDK von diesem bestätigt worden sei, dass es sich um eine auch ambulant zu erbringende Leistung gehandelt habe. Die Beklagte bat den Kläger um Übersendung einer korrigierten Rechnung, was dieser ablehnte. Daher setzte die Beklagte am 11. September 2009 von einer anderen Rechnung des Klägers den Betrag von 119,13 Euro ab.

Hiergegen hat sich die am 18. März 2010 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen ausgeführt hat, es habe eine Einweisung eines Vertragsarztes vorgelegen, um die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung zu klären. Ergebnis der Untersuchung sei gewesen, dass keine stationäre Behandlungsnotwendigkeit bestünde, so dass die Leistung des Krankenhauses als vollstationäre Leistung vergütet werden müsse, die Beklagte daher an sie 119,13 Euro zu zahlen habe.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten: Urodynamik könne ambulant durchgeführt werden und es sei nicht ersichtlich, weshalb bei der Versicherten hier eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen sei.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 23. Februar 2011 verurteilt, an den Kläger 119,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 12. September 2009 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei gemäß § 115 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - zur vorstationären Behandlung der Versicherten befugt gewesen, so dass die Beklagte die Kosten hierfür zu erstatten habe. Zum einen habe eine Verordnung von Krankenhausbehandlung vorgelegen und zum anderen sei ein medizinisch geeigneter Fall hierfür gegeben gewesen. Zweck der vorstationären Behandlung der Versicherten sei es gewesen, die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären, wie dies in § 115 a Abs. 1 Nr. 1 SGB V als Voraussetzung einer vorstationären Behandlung normiert sei.

Da es sich bei der vorstationären Behandlung um eine Sonderform der ambulanten Versorgung der Versicherten handele, sei der Einwand der Beklagten, die Maßnahme hätte ambulant durchgeführt werden können, unerheblich. Die Nutzung krankenhausspezifischer Behandlungsmöglichkeiten sei hier nicht erforderlich; vorstationäre Behandlungsmaßnahmen seien vielmehr regelmäßig auch außerhalb eines Krankenhauses ambulant durchführbar. Vorstationäre Behandlungen stünden nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis zu ambulanten Leistungen. Rechtlich subsidiär sei gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur die vollstationäre Behandlung, und zwar gegenüber der teilstationären, der vor- und nachstationären und der ambulanten Behandlung. Der Gesetzgeber habe mit § 115 a SGB V das Ziel der Vermeidung bzw. Verkürzung der vollstationären Krankenhausbehandlung angestrebt, um die vollstationäre Krankenhausbehandlung zu verkürzen. Dieses Ziel werde auch bei Gleichrangigkeit von vorstationären und ambulanten Maßnahmen erreicht. Ein darüber hinausgehendes Ziel, vorstationäre Behandlungen durch ambulante Maßnahmen außerhalb des Krankenhauses zu reduzieren, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Gegen dieses ...

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