Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommensermittlung. selbstständige und nichtselbstständige Arbeit. schwangerschaftsbedingte Erkrankung. Besonderheiten der Beschäftigungsbedingungen von Schauspielern. Steuerrückerstattung. hohe Werbungskosten. Möglichkeit der Eintragung eines Steuerfreibetrags. kein rückwirkendes Gestaltungsmittel
Leitsatz (amtlich)
1) Entgegen § 2 Abs. 9 Satz 2 BEEG ist in bestimmten Ausnahmefällen die Anwendung des § 2 Abs. 9 Satz 3 BEEG (Einkommensermittlung anhand des für den nach § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG maßgebenden Veranlagungszeitraums ergangenen Steuerbescheides) auch bei Wegfall von Einkommen aufgrund von schwangerschaftsbedingten Erkrankungen nach § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG zulässig.
2) Steuerrückerstattungen sind kein Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BEEG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 EStG.
3) Ein eingetragener Steuerfreibetrag nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgrund hoher Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit ist bei der Einkommensberechnung nach § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG zu beachten, eine rückwirkende Berücksichtigung ist nicht möglich.
Normenkette
BEEG § 2 Abs. 9 Sätze 1-3, Abs. 1 Sätze 2, 1 Nrn. 1-4, Abs. 7 Sätze 1, 6, Abs. 8 Sätze 1, 5, § 1 Abs. 1; EStG § 39a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, §§ 86, 99 Abs. 1, 3 Nr. 2
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin.
Die 1968 geborene, unverheiratete Klägerin mit Wohnsitz in B ist Mutter der 2007 geborenen Tochter M E. Sie beantragte am 20. Dezember 2007 bei dem Beklagten zunächst für die ersten sechs Lebensmonate ihres Kindes Elterngeld.
Die Klägerin war ab dem 30. April 2007 bis zur Geburt ihres Kindes schwangerschaftsbedingt arbeitsunfähig krank (ärztliches Attest Dr. Rr vom 30. April 2007). Sowohl in den letzten zwölf Monaten vor ihrer Arbeitsunfähigkeit als auch im letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum (hier: Kalenderjahr 2006) war sie kontinuierlich als Schauspielerin und Sprecherin abhängig beschäftigt und auch selbständig tätig. Daneben gab sie noch durchgehend in diesem Zeitraum als Lehrbeauftragte Schauspielunterricht. Ihrem Antrag auf Zahlung von Elterngeld fügte sie ihre Verdienstabrechnungen aus nichtselbständiger Arbeit für das Kalenderjahr 2006, eine Aufstellung ihrer Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Jahr 2006 und die Steuerbescheide des Finanzamtes Berlin-Charlottenburg vom 12. März 2008 (für das Jahr 2006 - Steuer-Nummer ) und vom 03. August 2006 (für das Jahr 2005) bei, die beide eine Steuerrückerstattung von zusammen 7.879,04 € (für das Jahr 2005) bzw von 5.441,30 € (für das Jahr 2006) auswiesen. Eine Erwerbstätigkeit während der hier allein streitigen ersten sechs Lebensmonate ihres Kindes übte die Klägerin nach eigenen Angaben nicht aus.
Ausgehend von den vorgelegten Bescheinigungen bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 02. April 2008 der Klägerin für die ersten sechs Lebensmonate ihres Kindes (Leistungszeitraum 27. November 2007 bis 26. Mai 2008) Elterngeld von monatlich 1.482,14 €. Bei der Berechnung legte er die im Steuerbescheid vom 12. März 2008 ausgewiesenen Einkünfte von 7.200,-€ aus selbständiger Tätigkeit und ein im Zeitraum vom 01. Januar bis zum 31. Dezember 2006 erzieltes Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung von netto 19.345,82 € zugrunde (zusammen monatlich netto 2.212,15 €), wobei er sowohl die Steuerrückerstattungen für das Jahr 2005 als auch für das Jahr 2006 nicht einkommenssteigernd berücksichtigte. Der hiergegen von der Klägerin am 18. April 2008 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. März 2009).
Mit ihrer 23. April 2009 vor dem Sozialgericht ≪SG≫ Berlin erhobenen Klage hat sich die Klägerin dagegen gewandt, dass weder die ihr im maßgebenden Bemessungszeitraum zugeflossene Steuerrückerstattung für das Jahr 2005 (Gutschrift vom 07. August 2007) noch die für das Jahr 2006 ausgewiesene Steuerrückerstattung elterngelderhöhend berücksichtigt worden seien.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheides vom 02. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2009 Elterngeld in Höhe von monatlich 1.800,- € zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 25. November 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe zutreffend als Bemessungszeitraum das Jahr 2006 der Elterngeldberechnung zugrunde gelegt und dabei die im Steuerbescheid vom 12. März 2008 ausgewiesenen Einkünfte aus selbständiger Arbeit berücksichtigt, die Steuererstattung für dieses Jahr bleibe unberücksichtigt. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit habe der Beklagte ebenfalls zutreffend nach § 2 Abs ...