Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachteilsausgleich. Merkzeichen "G"
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2015 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Am 31. Januar 2013 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Feststellungsantrag. Hierbei begehrte sie die rückwirkende Feststellung ab 1998. Mit Bescheid vom 13. Mai 2014 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 50 fest, lehnte aber die Zuerkennung von Merkzeichen ab. Der Antrag auf rückwirkende Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft wurde nicht beschieden. Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch, worauf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2014 bei ihr einen Grad der Behinderung von 70 feststellte, den Widerspruch aber im Übrigen zurückwies. Dem legte der Beklagte folgende Einzelbehinderungen zugrunde:
1. Erkrankung der Brust in Heilungsbewährung links, Teilverlust der Brust links (Einzel-GdB von 50),
2. seelische Störung, psychosomatische Störungen, außergewöhnliche Schmerzreaktion (Fibromyalgie) (Einzel-GdB von 40),
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden (Einzel-GdB von 30),
4. Tinnitus beidseitig (Einzel-GdB von 10),
5. Immunerkrankung der Schilddrüse (Einzel-GdB von 10).
Hiergegen hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 11. November 2015 mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 80 und Zuerkennung des Merkzeichens “G„.
Mit der Berufung gegen diese Entscheidung hat die Klägerin zunächst einen GdB von 50 ab 1998 und die Zuerkennung des Merkzeichens “G„ ab 31. Januar 2013 begehrt. Im Hinblick darauf, dass der Antrag auf rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht beschieden wurde und der Beklagte im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter erklärt hat, hierüber in angemessener Zeit zu entscheiden, führt die Klägerin das Berufungsverfahren insoweit nicht fort.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie, Unfall- und Handchirurgie Prof. Dr. S vom 18. Dezember 2016.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2015 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 13. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2014 zu verpflichten, bei ihr mit Wirkung ab dem 31. Januar 2013 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist, soweit sie den Rechtsstreit noch fortsetzt, unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2014 ist rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens “G„.
Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Alternativ können sie nach § 3a Abs. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz eine Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer um 50 v. H. beanspruchen. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX).
Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 10. Dezember 1987, 9a RVs 11/87, BSGE 62, 273 = ...