Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensanrechnung. Reihenfolge. Mehrbedarfe. Auszubildende

 

Leitsatz (redaktionell)

Die in § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II enthaltene Vorgabe zur Einkommensberücksichtigung ist auch im Rahmen des § 27 Abs. 2 SGB II zumindest entsprechend zu berücksichtigen. Danach sind zunächst der Regelbedarf (§ 20), dann die Mehrbedarfe (§ 21) und schließlich die besonderen Bedarfe beim Sozialgeld (§ 23) zu bedienen und erst danach die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22) zu berücksichtigen.

 

Normenkette

SGB II § 27 Abs. 2, § 21 Abs. 2-3, § 19 Abs. 3 S. 2, §§ 20, 22-23, 7 Abs. 5; BaföG § 56 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2014 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren zu einem Drittel zu erstatten. Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Leistungsträger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) noch einen höheren Mehrbedarf wegen Schwangerschaft sowie einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 27 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 Abs. 2 und 3 SGB II für den Zeitraum Juni 2012 bis September 2012 und November 2012.

Die 1986 geborene Klägerin ist ledig. Sie ist Mutter von Kindern, die 2006 und 2009 geboren worden sind und für die die Klägerin im streitigen Zeitraum Kindergeld und Unterhaltsvorschuss bezog. Bereits vor dem hier streitigen Zeitraum bezog die Klägerin zudem Leistungen von dem Beklagten. Sie bewohnt eine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 88,50 Quadratmetern und einer damaligen monatlichen Bruttogesamtmiete von 618,45 Euro.

Seit dem 17. Oktober 2011 befand sich die Klägerin in einer Berufsausbildung zur Friseurin bei der E H G und erhielt hierfür eine Ausbildungsvergütung. Die Ausbildungsvergütung betrug in den Monaten Juni 2012 bis September 2012 monatlich 265 Euro/brutto. Ab Oktober 2012 wurde der Klägerin eine Ausbildungsvergütung nicht mehr gezahlt.

Für die Berufsausbildung bewilligte ihr die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 18. April 2012 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 31. Juli 2012 in monatlicher Höhe von 493 Euro. Von August 2012 bis 17. Januar 2013 erhielt die Klägerin monatlich 325 Euro BAB, anschließend 391 Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 24. September 2012 bewilligte das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin der Klägerin Wohngeld für den Zeitraum von August 2012 bis Oktober 2012 in Höhe von monatlich 135 Euro. Das Wohngeld wurde nur der Klägerin bewilligt, weitere Haushaltsmitglieder konnten nicht berücksichtigt werden, weil sie nach § 7 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen waren.

Am 20. April 2012 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II, gab hierbei eine bestehende Schwangerschaft mit einem voraussichtlichen Entbindungstermin am 22. November 2012 und einem bestehenden Beschäftigungsverbot nach einem ärztlichen Attest vom 31. März 2012 sowie die Berufsausbildung und die Bewilligung von BAB an.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2012 bewilligte der Beklagte den zwei Kindern der Klägerin vorläufig für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis zum 30. November 2012 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 213,28 Euro für den Monat Juni 2012, 167,35 Euro für den Monat Juli 2012 und 198,28 Euro monatlich für die Monate August 2012 bis November 2012. Ein Anspruch der Klägerin insbesondere auf Mehrbedarf für Alleinerziehung und Schwangerschaft bestehe nicht, da die Klägerin aufgrund der BAB- Förderung gemäß dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei. Mit Bescheid vom 22. Juni 2012 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 9. Mai 2012 nach einer Mieterhöhung und bewilligte den Kindern der Klägerin für den Monat Juli 2012 189,37 Euro und für die Monate August 2012 bis November 2012 201,30 Euro monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 26. Juli 2012 änderte der Beklagte auch den Bescheid vom 22. Juni 2012 hinsichtlich des Zeitraumes August bis November 2012 und bewilligte den Kindern der Klägerin monatlich 381,30 Euro.

Gegen den Bescheid vom 9. Mai 2012 erhob die Klägerin bereits am 11. Juni 2012 Widerspruch; ihr sei ein Mehrbedarf für Alleinerziehung und Schwangerschaft i.H.v. 190 Euro zu bewilligen. Es sei zwar zutreffend, dass im Falle eines Bezuges von BAB ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II ausgeschlossen sei. Leistungen für zusätzliche Mehrbedarfe im Sinne von § 21 Abs. 2, 3 und 5 SGB II seien gemäß § 27 SGB II jedoch zu gewähren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund der Berufsausbildung sei die Klägerin gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen und habe über die Leistungen des § 27 SGB I...

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