Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Heizkosten eines Grundsicherungsberechtigten
Orientierungssatz
1. Die nach § 22 Abs. 1 SGB 2 zu gewährenden Leistungen umfassen nicht nur die laufenden, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Infolgedessen tritt mit der Geltendmachung einer Betriebs- und Heizkostennachforderung durch den Vermieter eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in den Kosten der Unterkunft bzw. der Heizung nach § 22 SGB 2 ein.
2. Heizkosten sind im Rahmen ihrer Wirtschaftlichkeit in vollem Umfang abhängig von der für den Haushalt abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl zu erstatten.
3. Für die Angemessenheit der Heizkosten ist im Zweifel der bundesweite Heizspiegel maßgebend. Dieser unterscheidet hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen optimal, durchschnittlich, erhöht und extrem hoch. Den Grenzwert der Angemessenheit bildet das Produkt aus der für den Haushalt des Leistungsberechtigten abstrakt angemessenen Wohnfläche und dem Wert, ab dem bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage extrem hohe Heizkosten anfallen.
4. Das Überschreiten des Grenzwertes führt zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des hilfebedürftigen Leistungsempfängers dahin, dass von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen ist.
5. Krankheiten können zu den Umständen gehören, die ausnahmsweise die subjektive Unzumutbarkeit einer Kostensenkungsaufforderung des Grundsicherungsträgers rechtfertigen. Allerdings muss dazu erkennbar sein, warum die Erkrankungen ein Verbleiben in der bisherigen Wohnung aus medizinischen Gründen erforderlich machen bzw. einen Umzug schlechthin ausschließen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. März 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 09. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2010 geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Änderung seines Bescheides vom 20. November 2009 für Januar 2010 weitere Leistungen in Höhe von 54,00 € für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) unter Übernahme einer Nachforderung aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008 in Höhe von 1.036,80 €.
Der 1948 geborene Kläger steht seit Oktober 2005 im Leistungsbezug des Beklagten. Während dieser Zeit bewohnte er zunächst unter der sich aus dem Rubrum ergebenden Anschrift eine 71 m² große Zweizimmerwohnung (Wohnung Nr. 12), für die ein monatlicher Mietzins von 550,00 € (Kaltmiete 350,00 €, Betriebskostenvorschuss 150,00 €, Heizkostenvorschuss 50,00 €) zu zahlen war. Der Beklagte legte der Leistungsbewilligung zunächst den Mietzins von 550,00 € - abzüglich einer Warmwasserpauschale in Höhe von 9,00 € - zugrunde.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2006 wies er den Kläger auf die Unangemessenheit seiner Unterkunfts- und Heizkosten hin, erläuterte ihm, dass er als angemessen für einen Einpersonenhaushalt Kosten lediglich in Höhe von 360,00 € ansehe, und kündigte an, die darüber hinausgehenden Kosten nur noch bis zum 30. November 2006 anzuerkennen. Weiter heißt es in dem Schreiben: "Für den Fall eines beabsichtigten Wohnungswechsels sind die oben genannten Richtwerte für eine neue Unterkunft einzuhalten. Vor Anmietung neuen Wohnraums ist beim Träger der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die Zusicherung zur Kostenübernahme für diese neue Unterkunft einzuholen. …"
Zum 01. November 2006 mietete der Kläger daraufhin im selben Haus eine 50 m² große - möblierte - Wohnung (Nr. 18) an, für die eine Bruttowarmmiete in Höhe von 413,00 € (Kaltmiete 281,74 €, Betriebskosten 101,26 €, Heizkostenvorschuss 30,00 €) zu zahlen war. Die Wohnung befindet sich in einem Haus mit einer Wohnfläche von 952,57 m². Die Wärmeversorgung und Warmwasseraufbereitung erfolgen zentral über eine Ölheizung. Eine vorherige Zusicherung hatte der Kläger beim Beklagten nicht eingeholt.
Der Beklagte legte daraufhin der Leistungsbewilligung ab dem 01. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2009 Kosten der Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von 360,00 €, ab dem 01. Juni 2009 in Höhe von 378,00 € zugrunde. Auch für den Zeitraum vom 01. Dezember 2009 bis zum 31. Mai 2010 gewährte er dem Kläger mit Bescheid vom 20. November 2009 Leistungen in Höhe von 359,00 € zum Lebensunterhalt sowie in Höhe von 378,00 € für die Kosten der Unterkunft und Heizung.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2009 stellte der Wohnungseigentümer dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Januar bis zum 31. Dezember 2008 Betriebskosten in Höhe von 609,52 € und Heizkosten in Höhe von 427,28 €, insgesamt mithin 1.036,80 € in Rechnung und bat um Berücksichtigung bei der nächsten Mietzahlung. Ausweislich der Abrechnung war die Nachforderung...