Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaft. Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der Regelleistungen. Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen. Übergangsregelung. Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe
Orientierungssatz
1. Bei einer Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB 2, die durch öffentlichen Vertrag gegründet wurde und keine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts ist, kann die Beteiligtenfähigkeit aus § 70 Nr 2 SGG hergeleitet werden. Teilrechtsfähigkeit liegt unter Berücksichtigung der § 44b Abs 3 S 1 und 2 SGB 2 vor.
2. Die in § 20 SGB 2 vorgenommene Festlegung der maßgeblichen Regelleistungen verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG und Art 20 Abs 3 GG).
3. Verbleibenden oder im Einzelfall auftretenden verfassungsrechtlichen Bedenken kann vorrangig, dh bevor die Regelleistung insoweit als verfassungswidrig beurteilt wird, mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 23 Abs 1 SGB 2 iVm § 44 SGB 2 in Form einer großzügigen Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale und/oder Ausgestaltung der Rückzahlungsmodalitäten (Ratenhöhe bzw Erlass) begegnet werden.
4. Eine Verletzung des Vertrauens- und Bestandsschutzes läßt sich nicht daraus herleiten, dass ältere Arbeitslose eine Erklärung nach § 428 SGB 3 abgegeben haben, da mit § 65 Abs 4 SGB 2 eine mit § 428 Abs 1 SGB 3 inhaltsgleiche Regelung für die Bezieher für Arbeitslosengeld II geschaffen wurde.
5. Die Ersetzung der Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld II auch für ältere Arbeitslose, die von der Regelung des § 428 SGB 3 Gebrauch gemacht haben, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am … 1945 geborene Kläger zu 1) und seine am 1951 geborene Ehefrau (Klägerin zu 2) bewohnen seit Oktober 1993 gemeinsam mit ihrem am 1983 geborenen Sohn eine 116,31 m² große 3-Zimmerwohnung; Heizung und Warmwasserversorgung erfolgen durch eine zentrale Gasheizung. Der Kläger zu 1), dessen letztes Beschäftigungsverhältnis zum 30. Juni 2000 aufgelöst worden war und der seit dem 23. April 2001 arbeitslos gemeldet ist, bezog bis zur Erschöpfung des Anspruches am 28. November 2002 Arbeitslosengeld und anschließend bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi), zuletzt iHv monatlich 1.262,78 EUR (wöchentlicher Leistungssatz 291,41 EUR x 13 : 3, Bescheid der Agentur für Arbeit Berlin-Südwest vom 25. November 2004). Am 08. August 2003 hatte der Kläger zu 1) gegenüber der Arbeitsagentur schriftlich erklärt, dass er die Leistungen unter den erleichterten Voraussetzungen nach § 428 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen wolle. Die Klägerin zu 2) steht seit 1992 in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis, in dem sie seit September 2004 ein monatliches Entgelt von 243,00 EUR brutto erzielt.
Am 10. November 2004 beantragte der Kläger zu 1) für sich und die Klägerin zu 2) die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und trug hierbei unter Vorlage entsprechender Nachweise ua vor, dass weder er noch seine Ehefrau über ein den Freibetrag übersteigendes Vermögen oder weiteres Einkommen verfügten. Der Sohn bewohne ein Zimmer (32 m²) zur Untermiete und zahle hierfür monatlich insgesamt 160,00 EUR. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1) und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Klägerin zu 2) Arbeitslosengeld II (Alg II) iHv insgesamt 664,14 EUR monatlich für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Mai 2005. Unter Zugrundelegung einer Regelleistung von 311,00 EUR pro Person und Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von monatlich insgesamt 274,60 EUR stellte sie nach Einkommensanrechnung einen ungedeckten Bedarf für den Kläger zu 1) iHv 332,08 EUR und die Klägerin zu 2) iHv 332,06 EUR monatlich fest. Am 05. Januar 2005 teilte der Kläger zu 1) ergänzend mit, der Untermietvertrag mit seinem Sohn sei aufgelöst worden und dieser beziehe sein Kindergeld direkt.
Im folgenden Widerspruchsverfahren rügte der Kläger zu 1) die Höhe des ihm und seiner Ehefrau gewährten Alg II: Bei Feststellung der Leistung sei seine Erklärung nach § 428 SGB III nicht berücksichtigt worden. Letztere habe er nur deshalb abgegeben, weil er davon ausgegangen sei, dass ihm bis zum frühest möglichen Eintritt in die Altersrente Alhi gezahlt werde. Durch die Änderung werden sein aktuelles Einkommen drastisch reduziert und die Rentenanwartschaften auf ein Minimum herabgesenkt, da nur noch auf einer Basis von 400,00 EUR monatlich Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet würden. Auch sei die Höhe des zugrun...