Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamtgrades der Behinderung

 

Orientierungssatz

Aus einem Teil-GdB von 30, einem weiteren von 20 bis 30 und einem GdB von 20 ist ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden. Zwar ist es bei leichten Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 20 bedingen, vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Dies gilt aber dann nicht, wenn ein psychisches Leiden zu einer weiteren subjektiven Verstärkung der körperlichen Beschwerden führt.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Oktober 2009 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 28. September 2006 verpflichtet, bei der Klägerin ab dem 2. Juni 2003 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Klageverfahren zu 3/4 und beider Berufungsverfahren zur Gänze zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren über die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).

Auf den Antrag der 1943 geborenen Klägerin von März 2002 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Dem legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

a) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsstörungen durch Fußfehlform, Krampfaderleiden (30),

b) Bluthochdruck (10).

Das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Merkzeichens “G„ verneinte er.

Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Potsdam zum Az. S 9 SB 76/03 hat die Klägerin die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 und des Merkzeichens “G„ begehrt. Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte angefordert sowie Beweis erhoben durch Einholung der Gutachten des Chirurgen Dr. K vom 25. April 2004, ergänzt durch Stellungnahme vom 29. Juli 2004, und des Nervenarztes Dr. L vom 22. September 2004. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2004 hat die Klägerin beantragt, den Gutachter Dr. L für befangen zu erklären. Die damalige Vorsitzende der Kammer hat in einem Vermerk von Februar 2005 festgehalten, dass der Prozessbevollmächtigte auf einen Beschluss verzichte und sie ein neues Gutachten einhole. Der Beweisanordnung war ein gerichtliches Schreiben an die von ihr als Sachverständige bestellte Anästhesistin Dr. B beigefügt, wonach das Gutachten des Dr. L nicht zu verwerten sei. Daraufhin hat die Klägerin auf einen Ablehnungsbeschluss gegen Dr. L verzichtet. Unter dem 28. September 2005 hat die Sachverständige Dr. B ihr Gutachten erstattet.

Das Sozialgericht Potsdam hat - nach dem Wechsel der Vorsitzenden - den Beklagten mit Urteil vom 31. August 2006 verurteilt, einen GdB von 40 ab September 2003 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. auf das Gutachten des Nervenarztes Dr. L abgestellt. Der Ansicht der Klägerin, dass das Gutachten nicht verwertbar sei, ist es nicht gefolgt. Aufgrund dieses Urteils hat der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 28. September 2006 bei der Klägerin einen GdB von 40 ab September 2003 festgestellt.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht mit Urteil vom 16. Mai 2007 (Az. L 13 SB 162/06) das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Nach Einholung von Befundberichten und des Gutachtens des Allgemeinmediziners und Diplompsychologen B vom 18. Juni 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. Oktober 2009 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. Oktober 2009 die nunmehr nur noch auf Zuerkennung eines GdB von 50 gerichtete Klage abgewiesen: Ein Gesamt-GdB von 40 sei bis Mai 2009 bei berücksichtigungsfähigen Einzel-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, von 20 für die chronisch-venöse Insuffizienz und von 20 für die psychische Störung mehr als großzügig bemessen, jedoch ab Juni 2009 unter Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 30 für die nach überzeugender Einschätzung des Sachverständigen B sich verstärkt habende psychische Störung gerechtfertigt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, bei ihr lägen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor, die mit Einzel-GdB von 30 bzw. 30 bis 40 zu bewerten seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Oktober 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 28. September ...

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