Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen die Krankenkasse. Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen wegen Zahlung von Krankengeld. rückwirkender Rechtsgrundentzug. Kenntnis der anderen Leistung. Organisationsverschulden
Leitsatz (amtlich)
Kenntnis iS des § 103 Abs 1 SGB 10 liegt auch vor, wenn der Sachbearbeiter nur aufgrund Organisationsverschuldens keine Kenntnis der anderen Leistung hat.
Orientierungssatz
1. Die Rentenversicherung muss die Rente monatlich im Voraus leisten (§ 272a SGB 6 als Ausnahme von § 118 Abs 1 SGB 6), da der Beginn der Rentenzahlung im vorliegenden Fall vor dem 1.4.2004 liegt. Hingegen ist das Krankengeld hier im Nachhinein gewährt und geleistet worden, so dass hier im Ergebnis kein Nachrang der Rentenzahlung besteht, sondern dieser nachträglich rückwirkend der Rechtsgrund entzogen wurde (Entgegen BSG vom 26.4.2005 - B 5 RJ 36/04 R = SozR 4-1300 § 127 Nr 1 = SozR 4-1300 § 107 Nr 2).
2. Dass die Krankenkasse allein durch die Kenntnis der Rentenhöhe nicht in der Lage gewesen ist, die Höhe einer eventuellen Überzahlung der Berufsunfähigkeitsrente zu erkennen, ist unschädlich. Selbst nach dem Urteil des BSG vom 19.3.1992 - 7 RAr 26/91 = BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 reicht es aus, die Tatsachen zu kennen, um nicht selbst nachforschen zu müssen. Das "Kennen" setzt also auch danach nicht voraus, die konkreten rechtlichen Schlussfolgerungen zu erkennen.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 335,82 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 335,82 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von 335,82 € hat.
Der Rentner H R (im Folgenden: der Versicherte - V) war und ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er bezog seit 1998 von der Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente. Diese übermittelte der Beklagten jeweils die entsprechenden Daten. V befand sich bis zum 31. Dezember 2006 in einem vollzeitigen Beschäftigungsverhältnis und war seit dem 22. Dezember 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte ihm in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2007 Krankengeld in voller Höhe. Konkret wurde das Krankengeld am 26. Februar 2007 für den Monat Januar, am 8. März 2007 für den Monat Februar, am 21. März 2007 für die restliche Zeit gezahlt. Gleichzeitig gewährte die Klägerin dem V während dieses Zeitraums (jeweils im Voraus) auch die Berufsunfähigkeitsrente in voller Höhe. Nachdem sie aufgrund der entsprechenden Meldung vom 28. März 2007 von der Krankengeldzahlung der Beklagten Kenntnis erlangt hatte, meldete sie mit Schreiben vom 11. April 2007 bei dieser einen Erstattungsanspruch i. H. v. insgesamt 335,82 € an. V habe durch den Krankengeldbezug die Hinzuverdienstgrenze überschritten. Daher sei die Berufsunfähigkeitsrente auf 1/3 zu kürzen gewesen. Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab.
Die Klägerin hat daraufhin am 8. November 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Ihr stehe ein Erstattungsanspruch nach § 103 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) zu, da ihre Pflicht zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente nachträglich teilweise entfallen sei aufgrund der Krankengeldzahlung der Beklagten. Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 96 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI) stelle nämlich ein teilweises Entfallen des Anspruches im Sinne des § 103 SGB X dar. Die Beklagte habe aufgrund der ihr elektronisch übermittelten Daten positive Kenntnis von der Rentenzahlung der Klägerin gehabt. Daher sei sie durch die Krankengeldzahlung auch nicht von ihrer Erstattungspflicht frei geworden. Für eine solche Kenntnis sei es nicht erforderlich, auch die Höhe des Erstattungsanspruches zu kennen, hier also die Höhe der konkreten Rentenüberzahlung. Die Bezifferung des Erstattungsanspruches obliege allein dem erstattungsberechtigten Leistungsträger, also hier der Klägerin. Die Beklagte habe insoweit nur die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X zu beachten gehabt.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Erstattungsanspruch der Klägerin bestünde nicht. Denn der Anspruch des V sei nicht nachträglich entfallen. Vielmehr sei lediglich die Hinzuverdienstgrenze des § 96 a SGB VI überschritten worden. Dies berühre den Rentenanspruch als solches nicht, sondern lediglich die Höhe der Rentenzahlung. Die Klägerin müsse deshalb selbst den überzahlten Betrag von V nach §§ 44 ff, 50 SGB X zurückfordern. Sie selbst sei auch gar nicht in der Lage gewesen, die Hinzuverdienstgrenze zu ermitteln, da sie weder den aktuellen Rentenwert noch die Summe der Entgeltpunkte des Versicherten gekannt habe und kenne. Sie als Krankenkasse dürfe keine Verwaltungsakte über die Anwendung der Hinzuverdienstgrenzen erlassen. Letzteres...