Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. Wie-Beschäftigung. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. im Unternehmen mitarbeitender Ehegatte. Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung gem § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 7

 

Orientierungssatz

Der Annahme einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7 für den im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten steht die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung dem § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 7 nicht entgegen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.06.2018; Aktenzeichen B 2 U 32/17 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Anerkennung eines Ereignisses vom 30. August 2012 als von ihr zu entschädigendem Arbeitsunfall. Insbesondere ist streitig, ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls eine dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegende Tätigkeit verrichtet hat.

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des vorgenannten Ereignisses mit 35 Stunden pro Woche bei der Z Marktkauf M GmbH, Filiale in E (im Folgenden: Marktkauf) beschäftigt, wo sie im Schichtdienst arbeitete. Der Ehemann der Klägerin betreibt in W die Gaststätte “D„ inklusive Getränkemarkt. Die regulären Öffnungszeiten der Gaststätte waren wochentags von 14:00 bis 20:00 Uhr und Samstag/Sonntag von 17:00 bis 20:00 Uhr. Darüber hinaus fanden in der Gaststätte Sonderveranstaltungen mit abweichenden Öffnungszeiten statt.

Nach Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes half die Klägerin, wenn sie dieses einrichten konnte unter Berücksichtigung ihres Schichtdienstes (Frühschicht von 6:00 bis 13:30 Uhr, Spätschicht 13:00 bis 20:30 Uhr) in der Gaststätte mit, insbesondere bei Großveranstaltungen. An Wochenenden half sie eigenen Angaben zufolge regelmäßig in der Gaststätte aus. Außer der Klägerin halfen noch die Eltern des Ehemannes des Klägers gelegentlich in dessen Gaststätte mit. Eine bezahlte Anstellung von Hilfskräften sei bis zum Unfall der Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen - mangelnder Umsatz - nicht erfolgt.

Wenn es bei Marktkauf Sonderangebote gab, ein bis zweimal im Monat, besorgte die Klägerin dort auf Bitte ihres Ehemannes im Anschluss an ihre Schicht Getränke für dessen Gaststätte und Getränkehandel, so auch am 30. August 2012. Die Klägerin fuhr dabei mit einem von ihr und ihrem Ehemann sowohl geschäftlich als auch privat genutzten Renault - Kleintransporter. Für größere Einkäufe fuhr der Ehemann der Klägerin selbst mit einem zu seinem Betrieb gehörenden größeren Transporter, den er ausschließlich für die Getränkelieferung nutzte.

Am 30. August 2012 absolvierte die Klägerin bei der Fa. Marktkauf von 13.20 Uhr bis 21.00 Uhr eine Spätschicht. Anschließend fuhr sie zur Gaststätte ihres Ehemannes und wartete dort das Ende einer Tanzveranstaltung (Tanzkurs) ab. Nachdem die Veranstaltung beendet war und die letzten Gäste gegangen waren, begannen die Klägerin und ihr Ehemann, die von der Klägerin für den Betrieb ihres Ehemannes eingekauften Getränkekisten (zwischen 10 und 20) aus dem Kleintransporter auszuladen, wobei die Kisten abwechselnd in die Gaststätte getragen wurden. Hierbei wurde die Klägerin gegen 22.40 Uhr von einem anderen Pkw erfasst und gegen den Renault-Transporter gequetscht. Die Klägerin wurde hierbei so schwer am linken Bein verletzt, dass es amputiert werden musste.

Der vorgenannte Unfall wurde zunächst der für die Fa. Marktkauf zuständigen Berufsgenossenschaft Handel und Warenverkehr gemeldet, welche die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall im Sinne eines Wegeunfalls ablehnte, da sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf dem Heimweg befunden habe. Diesen habe sie aus eigenwirtschaftlichen Gründen zur Teilnahme an der Tanzveranstaltung und Entladung des Fahrzeugs unterbrochen.

Mit Schreiben vom 5. März 2013 wandte sich die Klägerin daraufhin an die Beklagte. Hierbei verwies sie darauf, dass sie ihren Ehemann seit Jahren bei der Führung der Gastwirtschaft unentgeltlich unterstützt habe und fragte nach, ob sie als Ehefrau nicht automatisch mitversichert sei. Auch die gegnerische Haftpflichtversicherung habe sie auf die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft ihres Mannes verwiesen.

Nach Einholung eines Fragebogens zum ,,Ehegattenarbeitsverhältnis” vom Ehemann der Klägerin, in welchem dieser angegeben hatte, dass mit seiner Ehefrau kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Mai 2013 die Erbringung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund des Ereignisses vom 30. August 2012 ab. Die Klägerin habe in keinem nach § 2 SGB Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Versicherungsschutz begründenden Arbeitsverhältnis gestanden. Sie sei auch nicht nach § 6 Abs.1 Nr.2 SGB VII als mitarbeitende Ehegattin freiwillig unfallversichert gewesen. Hierfür wäre ...

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