Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunfts- und Heizkosten. nicht erforderlicher Umzug. Anwendung von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 bei Umzug aus dem Bereich des örtlichen Wohnungsmarktes. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 nicht dahingehend auszulegen, dass er nur für einen Umzug innerhalb desselben örtlichen Wohnungsmarktes, nicht aber für überörtliche Umzüge gilt (entgegen LSG Stuttgart vom 17.7.2008 - L 7 AS 1300/08 = EuG 2009, 334 und LSG Celle-Bremen vom 26.10.2007- L 13 AS 168/07 ER = FEVS 59, 271).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen seine Verurteilung zur Zahlung der tatsächlichen (und für Berlin angemessenen) Kosten der Unterkunft nach einem - seiner Meinung nach nicht erforderlichen - Umzug aus einer anderen Stadt.
Der 1953 geborene Kläger ist Pianist, Cellist, Musikpädagoge und Psychologe. Er bezog längere Zeit Leistungen von verschiedenen JobCentern in Berlin. Ende 2006 verzog er nach in Bayern, dort wohnte er zuletzt zur Untermiete. Im Folgenden bezog er von der ARGE E Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Kosten der Unterkunft (KdU), wobei mit dem letzten in den Akten vorliegenden Bewilligungsbescheid vom 14. Dezember 2007 KdU in Höhe von 190,52 € berücksichtigt worden waren.
Am 18. Dezember 2007 lehnte es die ARGE Eab, einem Umzug des Klägers nach Berlin zuzustimmen, mit der Begründung, dass noch kein Arbeitsvertrag vorliege.
Am 24. Januar 2008 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er legte einen Mietvertrag über ein möbliertes Zimmer mit Bad und Küchenbenutzung in der G in Berlin vor, für das eine Miete einschließlich Nebenkosten (Heizung, PC-Flatrate und Müllabfuhr) i. H. v. 300,00 € vereinbart war.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 30. Juni 2008 i. H. v. 540,10 € monatlich, wobei als KdU ein Betrag von 193,19 € anerkannt wurde. Der Beklagte führte in dem Bescheid aus, dass die Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der bisher gezahlten Miete übernommen würden, da eine Zustimmung zum Umzug nicht vorliege.
Mit Eingang bei dem Beklagten am 19. Februar 2008 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 25. Januar 2008 Widerspruch ein. Er wandte sich gegen die Höhe der berücksichtigten KdU. Man habe ihm telefonisch beim Telefondienst der JobCenter in Berlin gesagt, dass er ein Mietangebot in Berlin im Rahmen der dortigen Miethöhe, bis 360,00 € warm monatlich, einholen müsse. Mit diesem solle er zu dem zuständigen JobCenter gehen und es genehmigen lassen und dann den Mietvertrag unterschreiben. Er habe den Mietvertrag bereits unterschrieben, jedoch eine Klausel in diesem Vertrag gehabt, dass dieser bei Nichtbewilligung durch das JobCenter noch am Tag der Vorsprache dort rückgängig gemacht werden könne. Bei dem Beklagten habe ihm die Sachbearbeiterin gesagt, dass es ihm nichts nütze, ein Mietangebot vorzulegen, er brauche den Mietvertrag. Diesen habe er dann vorgelegt, die Sachbearbeiterin habe nicht gesagt, dass der Mietvertrag falsch oder unzulässig sei. Am nächsten Tag sei ihm mitgeteilt worden, dass nicht klar sei, was an Mietkosten übernommen werden würde. Er benötige eine Zustimmung zum Umzug von E. Bei der ARGE in E habe man allerdings die Zustimmung zum Umzug verweigert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2008 hat der Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Er hat ausgeführt, dass der Umzug nicht erforderlich gewesen sei. Die avisierte Arbeitsaufnahme in Berlin sei tatsächlich nicht erfolgt. Es sei dem Kläger zuzumuten gewesen, zunächst die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit abzuwarten und dann erst eine Wohnung zu suchen bzw. diese zu wechseln.
Mit der am 2. April 2008 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Mit seiner Klagebegründung machte er geltend, von den Mitarbeitern der Arbeitsagentur systematisch falsch informiert worden zu sein.
Gleichzeitig mit der Klageerhebung hatte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt (Verfahren S 157 AS 11252/08 ER). Mit Beschluss vom 5. Mai 2008 hat das Sozialgericht Berlin den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 2. April 2008 bis zum 30. April 2008 i. H. v. 290,00 € und vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Juli 2008 i. H. v. monatlich 300,00 € zu bewilligen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2008 hat der Kläger die Klage in Höhe von 6,53 € zurückgenommen, da er nicht angeben konnte, a...