Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeldrecht. Wegfall der Leistungsvoraussetzungen im ersten Bezugsmonat. Aufhebung der Adoptionspflege. Versterben des Kindes. einmonatiger Elterngeldanspruch. Rückwirkung des Antrags. Aufnahme des Kindes in den Haushalt. Monatsprinzip. Mindestbezugsdauer. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Bei einem nachträglichen Wegfall der Leistungsvoraussetzungen (hier: Aufhebung der Adoptionspflege) kann entgegen § 4 Abs 3 S 1 BEEG aF (heute: § 4 Abs 5 S 2 BEEG) Elterngeld auch nur für einen Monat bezogen werden.
Orientierungssatz
1. Hat eine anspruchsberechtigte Person das Elterngeld nicht unmittelbar mit der Aufnahme des Kindes in seinen Haushalt beantragt, sondern dies innerhalb der Frist des § 7 Abs 1 S 2 BEEG nachgeholt, ist ebenfalls auf das Entstehen des Anspruchs und nicht auf den Zeitpunkt der späteren Behördenentscheidung abzustellen.
2. Ein einmonatiger Elterngeldbezug ist auch zu gewähren, wenn das Kind im ersten Bezugsmonat des Elterngelds verstirbt (entgegen SG Darmstadt vom 13.2.2012 - S 6 EG 14/11).
Normenkette
BEEG § 1 Abs. 3 S. 2, § 4 Abs. 2 Sätze 1, 3, Abs. 4, § 7 Abs. 1; SGB I § 40 Abs. 1; BGB § 1744
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 4. September 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2011 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 25. Februar 2010 bis zum 21. März 2010 Elterngeld dem Grunde nach aus Anlass der Adoptionspflege für M G, geboren am 2010, zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Aufgrund der Rückführung des betreuten Kindes zu seinen leiblichen Eltern und der damit verbundenen Aufhebung eines Adoptionspflegevertrages nach nur drei Wochen begehrt der Kläger nur Elterngeld für den ersten Monat nach Aufnahme des betreuten Kindes in seinen Haushalt. Dabei ist zwischen den Beteiligten umstritten, ob der Gesetzgeber auch in solchen Ausnahmefällen eine Mindestbezugszeit von zwei Monaten als Ausschlussgrund für den Bezug von Elterngeld vorschreibt.
Der 1969 geborene Kläger ist verheiratet und nahm den 2010 geborenen M G am selben Tag in Adoptionspflege (Bescheinigung der Landeshauptstadt Potsdam vom 16. Februar 2010 - Jugendamt -). Am 22. Februar 2010 nahm er das Kind in seinen Haushalt auf und beantragte am 24. Februar 2010 bei seiner Arbeitgeberin eine siebenmonatige Elternzeit bis zum 25. September 2010. Ab dem 25. Februar 2010 blieb er seiner Arbeit fern und erzielte nach eigenen Angaben ab diesem Zeitpunkt und auch im März 2010 keine Einkünfte mehr. Bereits am 12. März 2010 hob das Jugendamt aufgrund der Rückführung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern zum selben Tag den Adoptionspflegevertrag auf (Bescheid vom 12. März 2010).
Am 14. März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten “für den ersten Lebensmonat„ des Kindes Elterngeld und bat um eine bevorzugte Bearbeitung, damit “wir unter diese traurige Angelegenheit einen Schlussstrich ziehen„ können. Mit Schreiben vom 17. März 2010 bestätigte das Jugendamt dem Beklagten, dass das Kind sich vom 16. Februar bis zum 12. März 2010 in Adoptionspflege bei dem Kläger und seiner Ehefrau befunden habe. Mit Bescheid vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2011 lehnte die Beklagte Elterngeldzahlungen ab, da nach § 4 Abs 3 Satz 1 des “Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz)„ ≪BEEG≫ Elterngeld nur für mindestens zwei Monate bezogen werden könne und die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs 1 Satz 1 BEEG für Elterngeld (gemeinsamer Haushalt) bereits vor Ablauf des ersten Monats mit der Rückführung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern weggefallen seien.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 30. Mai 2011 vor dem Sozialgericht ≪SG≫ Potsdam Klage erhoben und zur Begründung ua ausgeführt, maßgebend seien die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Beginns der Adoptionspflege oder jedenfalls der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes seinen Haushalt. Zu diesem Zeitpunkt habe er Elterngeld für sieben und nicht nur für einen Monat beanspruchen wollen. Auch wenn das BEEG für den Fall der Rückführung des sich in Adoptionspflege befindenden Kindes zu seinen leiblichen Eltern keine gesonderte Regelung vorsehe, finde wohl am ehesten die Regelung des § 16 Abs 4 BEEG (Ende der Elternzeit beim Tod des Kindes) entsprechende Anwendung.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2011, Elterngeld auf der Grundlage des BEEG zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte u.a. auf die “Richtlinien zum BEEG„ aus Oktober 2010 verwies...