Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht: Ermittlung von Einzel-GdB bei psychovegetativer/psychischer Störung. Beurteilung der verminderten Einsatzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt wegen einer psychischen Störung

 

Orientierungssatz

1. Eine als schwer zu qualifizierende psychovegetative/psychische Störung, die zu sozialen Anpassungsschwierigkeiten führt und deshalb mit einem Einzel-GdB von mehr als 50 zu bewerten ist, ist noch nicht gegeben, wenn die Störung für sich genommen keine Auswirkung auf die Einsatzfähigkeit im Erwerbsleben hat, sondern eine solche verminderte Einsatzfähigkeit erst durch das Vorhandensein weiterer Beschwerden entsteht.

2. Einzelfall zur Ermittlung von Einzel-GdB und der Bildung eines des Gesamt-GdB.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 11. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 50.

Die Klägerin ist im Jahr 1960 geboren. Auf ihren Erstantrag vom April 1998 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 6. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2001 einen GdB von 30 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest.

Einen Änderungsantrag der Klägerin vom Oktober 2001 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2003 ab. In dem sich daran anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Potsdam - S 9 SB 136/02 - erkannte der Beklagte im Vergleichswege einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 für den Zeitraum ab 4. Oktober 2001 an und erließ am 26. November 2003 einen entsprechenden Ausführungsbescheid.

Am 28. Mai 2004 beantragte die Klägerin die Feststellung eines höheren GdB und machte eine Verschlimmerung ihrer psychischen und orthopädischen Leiden sowie das Hinzutreten einer Fibromyalgie geltend. Der Beklagte holte ärztliche Auskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte Drs. L und L vom 20. Oktober 2004 sowie der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. O vom 18. Januar 2005 ein und veranlasste eine gutachtliche Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K vom 8. April 2005, der den GdB der Klägerin weiterhin mit 50 beurteilte und dabei folgende Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigte:

- psychosomatische Störungen, psychische Störungen, Migräne

GdB 40

- muskuläre Verspannungen, Muskelreizerscheinungen der Wirbelsäule 

GdB 20

- Knorpelschäden an beiden Kniegelenken

GdB 10

- chronische Bronchitis

GdB 10

- Ohrgeräusche (Tinnitus)

GdB 10

Hierauf lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 26. April 2005 ab. Auf den Widerspruch der Klägerin holte der Beklagte eine (nicht datierte) ärztliche Auskunft des Arztes für Innere Medizin M sowie eine ärztliche Auskunft der Ärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe Drs. F und K vom 17. August 2005 ein und wies den Widerspruch nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K vom 19. Oktober 2005 mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2006 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Februar 2006 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Arztes für Orthopädie Dr. L vom 16. Juni 2006, des Arztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. B (nicht datiert), des Arztes für Innere Medizin M vom 20. Juni 2006 sowie der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. O vom 21. Juli 2006 eingeholt und den ärztlichen Entlassungsbericht des J Krankenhauses im F vom 21. April 2006 über den teilstationären Aufenthalt der Klägerin in der Zeit vom 28. März 2006 bis 10. April 2006 beigezogen. Zu den vorstehenden Befunden hat der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Arztes Dr. J vom 9. August 2007 veranlasst. Ferner hat das Sozialgericht die Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G veranlasst. Dieser ist in seinem Gutachten vom 3. März 2008 nach körperlicher Untersuchung der Klägerin am 13. Februar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte die Gesundheitsstörungen der Klägerin zutreffend mit einem GdB von 50 bewertet habe und diese wie folgt im Einzelnen zu bezeichnen und zu bewerten seien:

- anhaltende somatoforme (psychosomatische) Schmerzstörung/

Fibromyalgiesyndrom = myofasziales Schmerzsyndrom,

rezidivierende depressive Episoden, besondere Persönlichkeitsakzentuierung

  GdB 40

- Migräne ohne Aura

GdB 20

- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen

der Wirbelsäule bzw. davon ausgehend- einschließlich sogenannter cervikaler Migräne -

GdB 20

- Knorpelschäden im Kniebereich

GdB 10

- chronische Bronchitis

GdB 10

- Ohrgeräusch rechts

GdB 10

Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt: Die Klägerin leide aus neurologisch-psychiatrischer Sicht an einem chronischen Schmerzsyndrom mit körperlichen und anhaltenden somatoformen Faktoren (anhaltende somatoforme Schmerzs...

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