Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Berufsunfähigkeit. Fortbestand des Berufsschutzes als Physiotherapeutin (hier verneint)
Orientierungssatz
1. In der Regel ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit des Versicherten zugrunde zu legen. Eine Lösung von dem zuvor ausgeübten Beruf ist für den Berufsschutz dann unschädlich, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen erfolgte.
2. Bei Auflösung des Arbeitsvertrages im ausdrücklichen Hinblick auf einen zu erwartenden Arbeitsplatzabbau unter Zahlung einer Prämie fehlen überzeugende Gründe für eine Lösung vom Beruf aus gesundheitlichen Gründen.
3. Eine Servicekraft in der Gastronomie ohne fachlichen Abschluss ist nach dem Mehrstufenschema allenfalls als angelernte Arbeiterin im unteren Bereich einzustufen. Damit ist sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die 1954 geborene Klägerin arbeitete nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin im Februar 1974 - unterbrochen von einer kurzfristigen Beschäftigung als Krippenerzieherin - regelmäßig in ihrem Beruf. Zuletzt wurde sie vom Bezirksamt M von B als Krankengymnastin in einem Seniorenwohnheim eingesetzt. Ausweislich ihrer Personalakte war die Klägerin Mitte der 90er Jahre wiederholt länger arbeitsunfähig. Entsprechende Bescheinigungen wurden ihr zwischen 1994 und 1997 durch zwei Internisten, verschiedene Zahnärzte, eine Gynäkologin sowie zuletzt ab Oktober 1997 eine Allgemeinmedizinerin erteilt. Im März 1997 informierte das Bezirksamt M von B die Klägerin, dass für ihren Tätigkeitsbereich ein Personalüberhang bestehe, zu dem die Klägerin gehöre. Offenbar wurde der Klägerin ferner eine Stelle (Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern) angeboten, woraufhin sie ein Attest des sie behandelnden Facharztes für Orthopädie Dr. G vom 22. Mai 1997 vorlegte. In diesem gab der Arzt an, dass der Klägerin "eine Aufnahme der Tätigkeit laut Stellenausschreibung" nicht möglich sei, ohne eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in Betracht ziehen zu müssen. Schweres Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg Gewicht sowie Zwangshaltungen bei Arbeiten mit mehrfach Schwerstbehinderten seien zu vermeiden. Mit Bescheid vom 20. August 1997 erkannte das Versorgungsamt Berlin bei der Klägerin auf ihren Antrag vom März 1997 einen Grad der Behinderung von 30 aufgrund eines degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenkleidens an. Am 22. September 1997 stimmte die Klägerin, die sich im Juni bei ihrem Arbeitgeber über den Erhalt einer Prämie im Falle des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis erkundigt hatte, der Auflösung ihres Arbeitsvertrages "im Hinblick auf einen zu erwartenden Arbeitsplatzabbau" zum 31. Dezember 1997 gegen Zahlung einer Prämie in Höhe von 56.787,83 DM zu.
Vom 20. Februar bis zum 24. September 1998 arbeitete die Klägerin in einem Bistro als Servicekraft. Ausweislich der Auskunft ihrer früheren Arbeitgeberin bediente sie Gäste und verrichtete Reinigungsarbeiten, war vorwiegend im Stehen und Laufen tätig und wurde aus betriebsbedingten Gründen gekündigt.
Im November 1998 war die Klägerin im Sportstudio E GbR, für das im Oktober 1998 beim Arbeitsamt für den Einsatz einer Studiomitarbeiterin die Gewährung einer Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen beantragt worden war, beschäftigt. Sie war dort insbesondere mit der Kundenbetreuung/Beratung, dem Check-in an der Rezeption, der Repräsentation und mit Reinigungsarbeiten betraut und wurde an der Bar eingesetzt. Mit Schreiben vom 01. Dezember 1998 informierte die Arbeitgeberin die Klägerin, dass die geplante Einstellung vom 01. November 1998 voraussichtlich auf den 01. März 1999 verschoben werden müsse, da die beantragten Fördermittel vom Arbeitsamt frühestens zu diesem Zeitpunkt bereitgestellt werden würden. Eine Vorfinanzierung des Arbeitsplatzes bis zum genannten Termin sei nicht möglich. Die Klägerin würde bei Bewilligung der Fördermittel kurzfristig eingestellt werden. Gegenüber der Beklagten gab die Arbeitgeberin im Juli 2002 an, dass die Tätigkeit mit ständigem Stehen und häufigem Bücken verbunden gewesen sei und die Entlassung der Klägerin auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen zurückzuführen gewesen sei.
Am 04. März 1999 beantragte die ab dem 01. Dezember 1998 arbeitslose Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zwei im März und Juli 1998 für die Arbeitsverwaltung von dem Arzt für Allgemeinmedizin, Anästhesiologie und Intensivtherapie Dr. P. S erstattete Gutachten bei, in denen es (im Gutachten vom Juli 1998) u.a. heißt, dass die Klägerin weder als Physiotherapeutin tauglich noch für eine überwiegende Computertätigkeit geeignet sei und ihr...