Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente. Vermutung einer Versorgungssache. lebensbedrohliche Erkrankung. Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1.Nach § 46 Abs 2a SGB VI haben Witwen keinen Anspruch auf WR, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat (hier: vom 1. Juli bis 27. Juli 2004), es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
2.Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten im Einzelfall ist der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren einschließlich des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von großer Witwenrente (WR) aus der Versicherung des am 2004 verstorbenen F R (im Folgenden: Versicherter).
Die 1950 geborene Klägerin lebte nach eigenen Angaben mit dem 1946 geborenen und zuletzt als Schulhauswart beim L B beschäftigten Versicherten, den sie 2004 heiratete, seit 1978 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Sie hat aus ihrer ersten Ehe zwei in den Jahren 1969 (H E; im Folgenden: H.E.) und 1973 (I E; im Folgenden: I.E.) geborene Kinder. In den Jahren 2003 und 2004 erzielte die Klägerin aus ihrer Beschäftigung als Apothekenhelferin bei der VN für G GmbH ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 2.400,- € (Bescheinigung vom 2. Februar 2005).
Bei dem Versicherten wurde erstmals im Oktober 2002 ein Blasenkarzinom diagnostiziert, das zunächst operativ entfernt wurde. Im Mai 2003 erkrankte er an einer neurologischen Erkrankung (Guillain-Barré-Syndrom), in deren Verlauf er nach einem stationären Aufenthalt im Klinikum N vom 18. April 2003 bis zum 26. April 2003 auch eine Anschlussheilbehandlungsmaßnahme in der Brandenburgklinik der Beklagten in B vom 15. Mai 2003 bis zum 12. Juni 2003 durchlief; auf den Entlassungsbericht vom 16. Juni 2003 wird Bezug genommen. Im Februar 2004 wurde bei dem Kläger ein metastasierendes Urothelkarzinom der Harnblase festgestellt, das sich als rasch progredient mit Befall der Leber und Lymphknoten darstellte (Entlassungsbericht des Klinikums N vom 07. Juni 2004), worauf sich der Versicherte zu palliativen Zwecken einer Chemotherapie unterzog. Die Chemotherapie wurde im Klinikum N vom 08. Juni bis zum 10. Juni 2004 stationär fortgesetzt. Wegen einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes mit Verschlechterung der Leberfunktionsleistung erfolgte eine weitere stationäre Behandlung im Klinikum N vom 14. Juni 2004 bis zum 10. Juli 2004, wobei wegen des sich kontinuierlich verschlechternden Zustandes des Versicherten die Chemotherapie abgebrochen und der Versicherte mit Morphium medikamentös behandelt wurde. Im Verlauf dieses Krankenhausaufenthaltes heirateten die Klägerin und der Versicherte. Nach einer erneuten Entlassung mit Homecarebetreuung wurde der Versicherte am 27. Juli 2004 notfallmäßig im Klinikum N stationär aufgenommen, wo er am selben Tage wegen Leber- und Nierenversagens verstarb.
Am 16. November 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von WR. Sie gab an, die Eheschließung sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung des ständig auf Pflege angewiesenen Versicherten erfolgt, dessen Tod bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei. Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, dass vorliegend im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung in § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) davon auszugehen sei, dass die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung gewesen sei. Diese gesetzliche Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegen können.
Im Klageverfahren hat die Klägerin, die weiterhin vollschichtig als Apothekenhelferin beschäftigt war, vorgetragen, sie und der Versicherte hätten bereits seit 1981 oder 1982 heiraten wollen. Sie habe zunächst aber die Volljährigkeit ihrer Kinder aus erster Ehe abwarten wollen, weil sie Probleme für die Kinder befürchtet habe, wenn diese einen anderen Nachnamen bekommen hätten. Der Versicherte habe im Hinblick auf seine 1969 geborene Tochter A aus erster Ehe ebenfalls abwarten wollen, bis seine Tochter volljährig und er nicht mehr unterha...