Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. rückwirkende Erhöhung des Unfallversicherungsbeitrags. zuungunsten des Beitragspflichtigen. unrichtige Angaben im Lohnnachweis. Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung. fehlende Ermessensausübung. Ermessenserwägungen im laufenden Gerichtsverfahren. Heilung
Orientierungssatz
1. Zur Rechtswidrigkeit einer rückwirkenden Beitragserhöhung wegen unrichtiger Angaben in dem Lohnnachweis iS des § 168 Abs 2 Nr 2 SGB 7 mangels Vorliegens einer Ermessensentscheidung.
2. Die unterbliebene erstmals anzustellende Ermessensausübung kann nicht gem § 41 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 SGB 10 nachträglich durch Ermessenserwägungen in einem Schriftsatz im laufenden Gerichtsverfahren geheilt werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Kostenentscheidung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2006 geändert.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Sozialgerichtsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.453,00 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine rückwirkende Erhöhung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 1999 bis 2001.
Der Kläger betreibt drei Hotels und ist Mitglied der Beklagten. Mit Bescheid vom 10. August 1999 veranlagte die Beklagte den Kläger entsprechend ihrem ab 1. Januar 1999 geltenden Gefahrtarif in dessen Gefahrtarifstelle 4, die für "Küche und alle sonstigen Tätigkeiten ohne Büro/Verwaltung" die Gefahrklasse 4,50 vorsieht, und in dessen Gefahrtarifstelle 33 "Büro/Verwaltung" mit der Gefahrklasse 1,00. Mit Beitragsbescheid vom 5. April 2000 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Bruttobeitrag (inklusive Fremdumlagen) für das Jahr 1999 auf 15589,88 DM fest, der u.a. Beiträge zur Eigenumlage von 10.855,35 DM für 561.000 DM Brutto-Arbeitsentgelt in der Gefahrklasse 4,50 und 2487,98 DM für ein Gesamt-Entgelt (unter Einbezug des versicherten Unternehmers) von 578.600 DM in der Gefahrklasse 1,00 enthielt. Abzüglich eines Beitragsnachlasses in Höhe von 667,17 DM ergab sich ein Nettobeitrag zur Eigenumlage in Höhe von 12.676,16 DM. Die Arbeitsentgelte entnahm sie den Angaben des Klägers im "Nachweis zur Beitragsberechnung 1999".
Mit berichtigtem Beitragsbescheid vom 25. Mai 2001 setzte die Beklagte den Bruttobeitrag (inklusive Fremdumlagen) für das Jahr 2000 auf der Grundlage eines Beitrages von 11.550,29 DM in der Gefahrklasse 4,50 (Brutto-Arbeitsentgelt von 588.700) und eines Beitrages von 2.693,61 DM in der Gefahrklasse 1,00 (Brutto-Arbeitsentgelt 617.800) auf insgesamt 16.336,28 DM (= 8352,61 €) fest, wobei sie die Angaben des Klägers im "Nachweis zur Beitragsberechnung 2000" vom 13. Februar 2001 zugrunde legte. Abzüglich eines Beitragsnachlasses in Höhe von 997,07 DM ergab sich ein Nettobeitrag zur Eigenumlage von 13.246,83 DM.
Auch im Beitragbescheid vom 11. April 2002 setzte die Beklagte die - in € umgerechneten-Angaben im "Nachweis zur Beitragsberechnung 2001" vom 28. Februar 2002 um und gelangte zu einer Beitragsforderung in Höhe von insgesamt 9.623,22 €, entsprechend 6.736,88 € für ein Gesamtarbeitsentgelt in der Gefahrklasse 4,50 von 341.800 € und 1.420,43 € in der Gefahrklasse 1,00 für ein Gesamtarbeitsentgelt von 324.300 €. Der Nettobetrag zur Eigenumlage belief sich auf 7.586,30 €.
In einem Prüfbericht vom 6. November 2002 gelangte der Prüfer M zu dem Ergebnis, dass ein niedrigeres Gesamtentgelt für den Bürobereich anzusetzen sei, nämlich 129.566 € für 1999, 137.300 € für 2000 und 115.700 € für 2001.
Mit Datum vom 13. Dezember 2002 erließ die Beklagte Beitragsbescheide für die Jahre 1999 bis 2001, die sie als berichtigte Bescheide aufgrund der Lohnbuchprüfung am 6. November 2002 bezeichnete. Es ergaben sich höhere Beiträge auf der Grundlage eines Bruttobeitrags von 10.499,09 € für 1999, von 10.887,42 € für 2000 und von 12.597,21 € für 2001.
Mit dem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, ihm sei mündlich erläutert worden, die Entgelte der Mitarbeiter des Hotelverwaltungsbereiches müssten eventuell anderen Gefahrklassen zugeordnet werden, weil diese keine Bürotätigkeiten ausübten. Dies sei nicht nachvollziehbar, weil diese Mitarbeiter keinen höheren Gefahren ausgesetzt seien als andere Verwaltungsmitarbeiter. Dass keine räumliche Trennung eines separaten Büroraumes vorliege, könne nicht ausschlaggebend sein. Daraufhin erfolgte eine erneute Prüfung, die einem Schreiben der Beklagten vom 11. Juli 2003 zufolge eine weitere Korrektur erforderlich mache und zu einer weiteren Nachforderung von zirka 4.400 € führe. Die Beklagte erläuterte in diesem Schreiben die der Beitragserhebung zugrunde liegende Berechnung dahingehend, dass ein Gewerbezweiggefahrtarif gegeben sei, der hinsichtlich der bereichsspezifischen Gefahrklassen für die jeweilige Gefahrtarifstelle von den dur...