Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft durch Wohnsitznahme im vertragslosen Ausland. keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung
Orientierungssatz
1. Ein Versicherter, der die Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund der Wohnsitznahme im vertragslosen Ausland verliert, hat keinen Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
2. Hierin ist auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu sehen.
Normenkette
SGB VI § 236a Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1; SGB IX § 2 Abs. 2, § 69 Abs. 1-2, § 116 Abs. 1; SGB I § 30 Abs. 1, § 37 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 06. Juni 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Der 1950 geborene Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, lebt seit Mai 1998 in P.. In der Zeit vom 01. September 1967 bis 04. Januar 1970 hat er (in der damaligen DDR) den Beruf des Industrieschmiedes erlernt. Während dieser Ausbildung erlitt er am 07. Januar 1969 einen Arbeitsunfall, bei dem er sämtliche Finger der rechten Hand verlor. Aufgrund dieses Unfalles wird ihm von der Unfallkasse Brandenburg eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 45 von 100 gewährt. Am 18. Juli 1969 bestand der Kläger die Prüfung als Industrieschmied. Am 10. Juni 1983 erwarb er die Qualifikation als Meister in der Fachrichtung Maschinen- und Anlageninstandhaltung.
Mit Bescheid vom 12. März 1992 wurde für den Kläger vom Versorgungsamt I Berlin ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt. In der vom Sozialgericht beigezogenen und in Kopie vollständig vorliegenden Akte des Versorgungsamts findet sich keine Aufhebung oder Änderung des Bescheides vom 12. März 1992. Der in Kopie vorgelegte Schwerbehindertenausweis trägt den Vermerk “Gültig bis Ende 12/2014„, das Datum ist bestätigt mit dem Stempel des Versorgungsamts Berlin.
Mit Eingang bei der Beklagten am 30. August 2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung einer Rente für schwerbehinderte Menschen.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2011, der dem Kläger zu einem unbekannten Zeitpunkt, aber nach dem 02. Mai 2011, zugegangen ist, hat die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung abgelehnt, dass weder die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), noch Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nach dem am 31. Dezember 2000 geltenden Recht vorlägen. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten vollschichtig ausgeübt werden. Da der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland in einem Nicht-EU/EWR-Mitgliedstaat und nicht in der Schweiz habe, sei er nicht schwerbehindert.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 11. Juli 2011 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), etwa bei der Frage nach der Möglichkeit der Aufhebung eines Behindertenbescheides bzw. der Verpflichtung zum Erlass eines Bescheides hinsichtlich des GdB für Personen, die sich im Ausland befänden, immer wieder festgehalten werde, dass es hier allein darauf ankomme, ob durch langjährige Beschäftigung in Deutschland eine Anwartschaft auf eine gesetzliche Rente erworben worden sei. Er verwies auf die Urteile des BSG vom 05. Juli 2007, Az. B 9/9a SB 2/06 R und B 9/9a SB 2/07 R. Das BSG stelle darauf ab, ob ein im Ausland wohnender Behinderter die Feststellung zur Ermöglichung konkreter inländischer Rechtsvorteile benötige.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02. November 2011 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Würdigung der beigezogenen ärztlichen Unterlagen reiche das Leistungsvermögen des Klägers bei der Diagnose “Zustand nach verletzungsbedingter Abtrennung aller Finger der rechten Hand mit zweimaligen Korrekturoperationen„ aus, täglich körperlich mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten vollschichtig zu verrichten. Es bestünde keine Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen sei der Kläger in der Lage, acht Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Er sei aus diesem Grund nicht nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht erwerbsunfähig. Auch Berufsunfähigkeit nach dem genannten Recht liege nicht vor.
Gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX seien Menschen im Sinne des Teils 2 [des SGB IX] schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliege und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches hätten. Der Kläger lebe seit 1998 in P und sei deshalb bei Beginn...