Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Wirkung eines Entziehungsbescheides im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

1. Rechtsgrundlage für einen im Schwerbehindertenrecht ergangenen Absenkungsbescheid ist § 48 Abs. 1 S. 1 SGB 10. Danach ist der erlassene Festsetzungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

2. Der Aufhebungsbescheid wird dem Betroffenen gegenüber nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB 10 wirksam in dem Zeitpunkt, in dem er ihm bekannt gegeben wird.

3. Eine Aufhebung für die Zeit vor der Bekanntgabe des Bescheides kommt nicht in Betracht. Bei einem Entziehungsbescheid, der eine günstige Feststellung in einem Dauerverwaltungsakt ändert, handelt es sich seinerseits nicht um einen Dauerverwaltungsakt. Seine Wirkung beschränkt sich darauf, den aufzuhebenden Dauerverwaltungsakt zu einem von der Behörde bestimmten Zeitpunkt ganz oder teilweise aufzuheben. Für nachfolgende Zeiträume enthält er keine Feststellungen. Maßgeblich ist insoweit allein der ursprüngliche Dauerverwaltungsakt in der Fassung, die er durch den Absenkungsbescheid erhalten hat.

 

Normenkette

SGB X § 48 Abs. 1 S. 1, § 39 Abs. 1 S. 1, § 37

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. Juni 2014 geändert sowie der Bescheid des Beklagten vom 11. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2011 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 26. August 2014 aufgehoben, soweit in diesen Bescheiden ein GdB von weniger als 50 in Ansatz gebracht wird.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens in voller Höhe zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1956 geborene Kläger wehrt sich gegen die Herabsetzung des bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB).

Auf den Antrag des Klägers vom 11. Juli 2008 hatte der Beklagte mit Bescheid vom 26. August 2008 bei ihm einen GdB von 50 festgestellt und hierbei “Teilverlust des Dickdarms, Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung„ (Nachprüfung: Juni 2010) als Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt.

Mit Bescheid vom 11. November 2010 hob der Beklagte den Bescheid vom 26. August 2008 mit der Begründung auf, dass die Heilungsbewährung eingetreten sei und nunmehr kein GdB von wenigstens 20 vorliege. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Beklagte stellte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2011 bei dem Kläger mit Wirkung ab 21. Juli 2011 einen GdB von 20 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Hierbei ging er von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus:

1. Teilverlust des Dickdarms (Einzel-GdB von 10),

2. Bauchnarbenbruch (Einzel-GdB von 20).

Mit der Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat der Kläger die Aufhebung des Herabsetzungsbescheides begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. S vom 25. Mai 2012 eingeholt, der (auf der Grundlage der Annahme, dass die Heilungsbewährung bis Juni 2013 laufe) den GdB mit 80 bewertet hat. Mit Urteil vom 4. Juni 2014 hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, bei dem Kläger nach Ablauf einer zweijährigen Heilungsbewährung einen GdB von 40 festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die bei dem Kläger im Zeitpunkt der Herabsetzung bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigten einen GdB in dieser Höhe. Es könne offen bleiben, ob im Zeitpunkt der ursprünglichen Festsetzungsentscheidung vom 26. August 2008 für die Dickdarmerkrankung des Klägers eine Heilungsbewährung von zwei oder fünf Jahren gegolten habe. Denn jedenfalls mit Inkrafttreten der Ersten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizinverordnung am 10. März 2010 sei lediglich eine zweijährige Heilungsbewährung zu berücksichtigen.

Der Beklagte hat mit Ausführungsbescheid vom 26. August 2014 bei dem Kläger mit Wirkung ab dem 14. November 2010 einen GdB von 40 festgestellt und ausgeführt, dass in dem Zeitraum vom 11. Juli 2008 bis zum 7. November 2008 der GdB 80 betragen habe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. Juni 2014 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 11. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2011 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 26. August 2014 aufzuheben, soweit darin der GdB abgesenkt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an seiner Entscheidung fest.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Das Sozialgericht hat auf die Anfechtungsklage zu Unrecht den Bescheid des Beklagten vom 11. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2011 nicht in vollem Umfang aufgehoben. Denn die Absen...

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