Entscheidungsstichwort (Thema)
Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen als Einkommen. Die Aufrechnung des Vermieters gegen Betriebskostenerstattungen eines Beziehers von Leistungen nach dem SGB XII ist unwirksam. Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen sind grundsätzlich Einkommen, auch wenn sie nicht zur Auszahlung kommen. Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Einkommenseinsatz. Betriebskostenguthaben. Aufrechnung des Vermieter mit Mietrückständen. Realisierbarkeit des Guthabens. Unwirksamkeit der Aufrechnungserklärung. Unpfändbarkeit der Forderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Aufrechnung des Vermieters gegen Betriebskostenerstattungen eines Beziehers von Leistungen nach dem SGB XII ist unwirksam.
2. Guthaben aus Betriebskostenabrechnungen sind grundsätzlich Einkommen, auch wenn sie nicht zur Auszahlung kommen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Berufung noch gegen die Anrechnung eines Guthabens aus einer Betriebskostenabrechnung und der sich daraus ergebenden teilweisen Aufhebung der Leistungsbewilligung.
Der 1969 geborene Kläger ist auf Dauer voll erwerbsgemindert. Er bezieht aufgrund Bescheids vom 16. September 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung und seit dem 1. November 2009 ergänzend Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) von der Beklagten. Zuvor bezog er seit Mai 2009 von der Beklagten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und zwar mit Bescheid vom 9. April 2009 “ab Mai 2009 bis auf weiteres„, geändert durch Bescheide vom 9. Juni 2009 und vom 23. November 2009. Vor Mai 2009 hatte der Kläger Alg II von der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (PAGA) erhalten.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger die Betriebskostenabrechnung der P P GmbH vom 15. Juli 2009 betreffend das Jahr 2008 vor, aus der ein Guthaben von 125,68 € ersichtlich ist. Das Guthaben wurde dem Mieterkonto des Klägers unter dem 15. August 2009 gutgeschrieben. Das Guthaben gelangte nicht zur Auszahlung, weil die Vermieterin es in der Folgezeit gemeinsam mit dem Betriebskostenguthaben für 2009 mit behaupteten Forderungen aus der Betriebskostenabrechnung 2007, Mietunterzahlungen aus den Monaten Oktober, November, Dezember 2008 sowie Rechtsanwalts- und Gerichtskosten (Kostenfestsetzungsbeschlusses zu Gunsten der G vom 7. Mai 2010 über 164,25 €) verrechnete.
Mit Schreiben vom 30. März 2010 hörte die Beklagte den Kläger zu einer voraussichtlichen Rücknahme eines Sozialhilfebescheides sowie zu einer Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen aufgrund der genannten Betriebskostenabrechnung in Höhe von 125,68 € an.
Mit Bescheid vom 29. April 2010 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 9. Juni 2009 für den Monat August 2009 - zunächst gem. § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - auf und forderte den Kläger auf, ihr die zu viel erhaltene Sozialhilfe von 125,68 € aus der Betriebskostenabrechnung 2008 zu erstatten.
Den dagegen vom Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2010 erhobenen Widerspruch, mit dem er der Sache nach geltend machte, das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung nie ausgezahlt bekommen zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2010 zurück.
Zur Begründung heißt es, sie deute den streitgegenständlichen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29. April 2010 um in einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Bei dem Zufluss des Betriebskostenguthabens auf sein Mieterkonto habe es sich um eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gehandelt, die erst im August 2009, also nach dem Wirksamwerden des Bewilligungsbescheides vom 9. Juni 2009, eingetreten sei. Die Bewilligung vom 9. Juni 2009 sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weswegen der Anwendungsbereich von § 48 SGB X eröffnet sei.
Das Betriebskostenguthaben von 125,68 € sei als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII anzusehen, auch wenn es dem Kläger lediglich auf sein Mieterkonto zugeflossen und sodann mit Forderungen seines Vermieters verrechnet worden sei. Es sei ihm in dem Monat als Einkommen anzurechnen, in welchem es ihm zugeflossen sei, hier im August 2009. In Ausübung ihres Ermessens erkenne sie keine Gründe, von der Aufhebung und Erstattung abzusehen. Das private Interesse des Klägers am Behalten der Leistung trete hinter das Interesse der Solidargemeinschaft am sparsamen Einsatz von staatlichen Transferleistungen zurück. Es greife der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz; der Kläger habe daher das Betriebskostenguthaben zur Deckung seines Lebensunterhaltes einzusetzen. Dem stehe nicht entgegen, dass ihm das Guthaben tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden habe, weil es zur Begleichung von Schulden gegenüber dem Vermieter eingesetzt worden sei. Bei der B...