Entscheidungsstichwort (Thema)
Neufeststellung des Grades der Behinderung wegen der Folgen einer Krebserkrankung nach Ablauf der Heilungsbewährung
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft nach § 48 Abs. 1 SGB 10 ist, dass der ursprüngliche Bescheid zunächst rechtmäßig gewesen ist. Im Schwerbehindertenrecht ist darüber hinaus für den Eintritt einer wesentlichen Änderung erforderlich, dass sich die Änderung der gesundheitlichen Situation des Betroffenen auf den Grad der Behinderung auswirkt.
2. Der Ablauf einer Heilungsbewährung bei einer Krebserkrankung stellt eine tatsächliche Veränderung i. S. von § 48 Abs. 1 SGB 10 dar. Nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren gilt die Krebserkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit als überwunden. Danach sind die Auswirkungen der Krebserkrankung nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. April 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Herabsetzungsbescheid des Beklagten.
Für die im Jahre 1963 geborene und als Vertriebsinspektorin bei der “L R„ tätige Klägerin, bei der am 3. Juni 2004 eine brusterhaltende Entfernung eines Mamma-Karzinoms stattgefunden hatte, stellte der Beklagte auf den Antrag vom 15. Juni 2004 mit Bescheid vom 24. September 2004 einen GdB von 50 wegen einer Erkrankung der Brust rechts (in Heilungsbewährung) fest. Eine Nachprüfung werde im Juni 2009 stattfinden.
Im Juni 2009 holte der Beklagte Befundberichte des Facharztes für Gynäkologie und Geburtshilfe Fund der Dipl. Psych. H ein und erforderte eine gutachterliche Stellungnahme des Facharztes für Sozialmedizin Dr. S. Dieser schlug einen Gesamt-GdB von 20 vor unter Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 20 für eine psychische Störung und von Einzel-GdB von jeweils 10 für den Teilverlust der rechten Brust und ein Lymphödem.
Mit Schreiben vom 23. November 2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass nunmehr nur noch ein GdB von 20 vorliege. Die Auswertung der medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass seit der Erkrankung der Brust Rückfälle nicht aufgetreten seien und sich der Gesundheitszustand insoweit stabilisiert habe. Die derzeit vorliegenden Gesundheitsstörungen bedingen einen GdB von 20. Es werde die Möglichkeit der Stellungnahme gegeben. Hiergegen trug die Klägerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 vor, dass das Lymphödem im rechten Oberarm und in der Achsel oft stark anschwelle und schmerzhaft und unangenehm sei. Sie leide nachweislich unter psychischen Störungen und Entzündungen des Nervensystems. Nach Einholung weiterer Befundberichte der Fachärztin für Orthopädie Dr. D und der Hausärztin M-S sowie einer gutachterlichen Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 5. Februar 2010 erteilte der Beklagte am 11. März 2010 einen Bescheid, mit dem er den Gesamt-GdB auf 20 festsetzte. Der Feststellung des Gesamt-GdB legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde (in Klammern jeweils die zugeordneten Einzel-GdB auf Grundlage der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. S):
Psychische Störung (20)
Teilverlust der rechten Brust (10)
Lymphödem (10)
Die Klägerin legte am 5. April 2010 Widerspruch ein. Die Lebensqualität habe sich aufgrund von Folgeschäden der Chemotherapie stetig verschlechtert.
Nach nochmaliger Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinalrates Dr. F stellte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2010 einen Gesamt-GdB von 30 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Es lägen folgende Beeinträchtigungen vor (in Klammern jeweils die zugeordneten Einzel-GdB auf Grundlage der gutachterlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. F):
Psychische Störung (20)
Teilverlust der rechten Brust (10)
Funktionsstörung der Wirbelsäule (20)
Lymphödem (10)
Funktionsstörung des rechten Schultergelenks (10)
Am 12. Juli 2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben. Der zuerkannte GdB berücksichtige nur den Teilverlust der rechten Brust und keine anderen Leiden.
Das Sozialgericht Cottbus hat Befundberichte des Facharztes für Orthopädie Dr. D, der Fachärztin für Innere Medizin M-S und des Facharztes für Gynäkologie und Geburtshilfe F eingeholt und den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. B führte in dem am 4. November 2011 erstellten Gutachten aus, dass der Gesamt-GdB am 11. März 2010 bzw. am 16. Juni 2010 mit 30 einzuschätzen sei. Dem legte er folgende Beeinträchtigungen und Einzelbehinderungsgrade zugrunde:
Psychische Störung (20)
Teilverlust der rechten Brust (10)
Funktionsstörung der Wirbelsäule (20)
Funktionsstörungen des rechten Schultergelenks seien bei der Untersuchung auszuschließen gewesen. Ein Lymphödem habe nicht bestanden.
Das Sozialgericht Co...