Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Vorverfahrenskosten. Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltskosten. Unzulässigkeit der Aufrechnung durch die zur Kostenerstattung verpflichtete Behörde. fehlende Gleichartigkeit der Leistungen
Orientierungssatz
Der Freistellungsanspruch des Leistungsempfängers aus § 63 SGB 10 kann mangels Gleichartigkeit nicht gegen einen Zahlungsanspruch der zur Kostenerstattung verpflichteten Behörde aus einem Erstattungsbescheid aufgerechnet werden.
Tenor
1. Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Satz 1 des Entscheidungssatzes des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2017 wie folgt gefasst wird: Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Vergütungsansprüchen ihres Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren W 06298/13 in Höhe von 122,95 EUR und für das Widerspruchsverfahren W 06299/13 in Höhe von 07,02 EUR freizustellen.
2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist (nur noch) streitig, ob das Sozialgericht (SG) Berlin den Beklagten zu Recht verurteilt hat, die Klägerin von den Gebührenforderungen ihres Rechtsanwalts - ihres Prozessbevollmächtigen - für zwei Widerspruchsverfahren (W 06298/13 und W 06299/13) in Höhe von insgesamt 129,97 EUR freizustellen.
Die 1984 geborene Klägerin und ihre mit ihr in einem Haushalt lebenden drei ältesten Kinder (geboren am 23. August 2005, 29. Juni 2007 und 10. Januar 2008) beziehen jedenfalls seit 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. September 2012 (Bl 1326 der Verwaltungsakte), in dessen Adressfeld allein die Klägerin genannt wird, gewährte der Beklagte der Klägerin darlehensweise Leistungen zur Übernahme der in der Zeit von November 2007 bis Februar 2008 aufgelaufenen Mietschulden in Höhe von 936,93 EUR. Da sie die Leistungen beantragt habe, werde von der Vermutung ausgegangen, dass sie die Vertretung (Bevollmächtigung) der Bedarfsgemeinschaft übernommen habe (§ 38 SGB II). Zudem verfügte er, dass das Darlehen ab November 2012 durch monatliche Aufrechnung pro Darlehensnehmer von 10 vom Hundert der jeweils maßgebenden Regelleistung zu tilgen sei, was einem Betrag in Höhe von 59,00 EUR entspreche. In der Folge sah der Beklagte alleine die Klägerin als Schuldnerin des Darlehensrückzahlungsanspruchs und der monatlichen Rate an.
Im August 2013 (am 08.) übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten im Rahmen eines von der Klägerin und ihren drei ältesten Kindern geführten Widerspruchsverfahrens eine von der Klägerin am 11. März 2013 unterschriebene, formularmäßig ausgestaltete Vollmacht, ausweislich derer sie ihren Prozessbevollmächtigten ermächtigte, sie ua gegen den Beklagten „wegen ALG II“ zu vertreten. In dem letzten Satz der Vollmacht heißt es: „Etwaige Kostenerstattungsansprüche trete ich an die Bevollmächtigten ab, die diese Abtretung annehmen“.
Mit negativem Zugunstenbescheid vom 10. September 2013 lehnte der Beklagte den von der Klägerin und ihren ältesten drei Kindern gestellten Antrag ab, den Bescheid vom 20. September 2013 zu ändern, der den Zeitraum von Oktober 2012 bis Dezember 2012 betraf. Mit weiterem negativen Zugunstenbescheid vom 10. September 2013 lehnte der Beklagte auch den weiteren von der Klägerin und ihren ältesten drei Kindern gestellten Antrag ab, den Bescheid vom 24. November 2012 zu ändern, der allein den Januar 2013 betraf.
Die gegen die bezeichneten beiden negativen Zugunstenbescheide erhobenen Widersprüche (Schriftsätze vom 17. September 2013, jeweils per Fax) der Klägerin und ihrer drei ältesten Kinder, jeweils vertreten durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die der Beklagte unter W 4727/13 und W 4728/13 registrierte, half der Beklagte mit zwei getrennten Bescheiden vom 10. Dezember 2013 ab. Zugleich verfügte er in beiden Bescheiden, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden; die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten werde als notwendig anerkannt; die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten könnten nicht erstattet werden, weil erst im Widerspruchsverfahren Unterlagen eingereicht worden seien, die eine Änderung der angefochtenen Entscheidung nach sich gezogen hätten.
Auch gegen diese Kostenentscheidungen erhoben die Klägerin und ihre drei ältesten Kinder jeweils Widerspruch, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Schriftsätze vom 10. Dezember 2013, per Fax), der auf die bereits eingereichte Vollmacht verwies. Der Beklagte registrierte den gegen die Kostenentscheidungen im Abhilfebescheid vom 10. Dezember 2013 zum Widerspruchsverfahren W 4727/13 erhobenen Widerspruch unter W 06298/13 und den gegen die Kostenentscheidungen im Abhilfebescheid vom 10. Dezember 2013 im Widerspr...