Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Berücksichtigung des einem Zöllner der DDR gewährten Verpflegungs- und Bekleidungsgeldes als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt

 

Orientierungssatz

1. Arbeitsentgelt i. S. des § 6 Abs. 1 AAÜG sind Geld und geldwerte Sachleistungen, die dem Versicherten im Beitrittsgebiet in ursächlichem Zusammenhang mit der versorgungsrechtlich begünstigten abhängigen Beschäftigung in der Zeit der Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Versorgungssystem der ehemaligen DDR zugeflossen sind.

2. Ob im Beitrittsgebiet zugeflossenes Verpflegungsgeld als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt zu bewerten ist, beurteilt sich nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4. Es stellt keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung dar, sondern ist als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung zu bewerten.

3. Bei einem als Offizier im besonderen Einsatz für das Ministerium für Staatssicherheit im Beitrittsgebiet Beschäftigten erfolgte die Zahlung des Verpflegungsgeldes als Surrogat für die ansonsten in Gemeinschaftsunterkünften bereitgestellte Vollverpflegung. Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und die damit verbundene Vollverpflegung erfolgte im Interesse der Staatsorgane der DDR. Eine Entlohnung für geleistete und tatsächlich erbrachte Arbeit war nicht Zahlungszweck.

4. Eine bundesrechtliche Qualifizierung als Arbeitsentgelt i. S. von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4 ist damit ausgeschlossen. Nach Maßgabe des am 1. 8. 1991 geltenden Steuerrechts waren die Zahlungen lohnsteuerfrei und gelten deshalb kraft gesetzlicher Fiktion der §§ 17 Abs. 1 S. SGB 4, 1 ArEV nicht als Arbeitsentgelt.

5. Als Kleidergeld bzw. Bekleidungsgeld bezeichnete Zuwendungen unterfallen grundsätzlich dem Arbeitsentgeltbegriff des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4. Dem Beschäftigten wurde der berufsbedingte Aufwand für die Beschaffung und Reinigung der im Dienst getragenen Kleidung entschädigt. Als nach § 1 ArEV lohnsteuerfreie Einnahme ist es aber nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu er statten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt für die Zeit seiner Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Zollverwaltung der DDR (Zv) die Feststellung weiterer Entgelte wegen der Zahlung von Verpflegungsgeld (Vg) und Bekleidungsgeld (Bg).

Der 1936 bzw. nach den Einträgen in den Besoldungsstammkarten ein Jahr später geborene Kläger war vom 1. Juni 1957 bis 30. September 1990 beim Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs (AZKW) bzw. bei der Zv beschäftigt. In der Zeit vom 1. November 1970 bis 31. Dezember 1989 war er als “Offizier im besonderen Einsatz„ für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig. Mit Bescheid vom 7. April 1997 zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften nach § 8 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) stellte die Beklagte den Zeitraum vom 1. Juni 1957 bis zum 31. Oktober 1970 sowie den Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis zum 30. September 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Zv sowie die in diesem Zeiträumen erzielten Entgelte fest. Mit Änderungsbescheid vom 14. Juli 2005 bescheinigte die Beklagte im Hinblick auf die Neufassung des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG durch das Erste Gesetz zur Änderung des AAÜG vom 21. Juni 2005 Arbeitsentgelte des Klägers im Zeitraum vom 1. Januar 1990 bis 17. März 1990 in Höhe von (iHv) 7.041,33 DM.

Unter dem 23. Juli 2009 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - die Überprüfung des Überführungsbescheides vom 4. April 1997 und begehrte die Berücksichtigung von Vg und Bg bei der Feststellung der Entgelte. Als Angehöriger des Zollfahndungsdienstes habe er zivile Kleidung getragen. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die angeführten Zahlungen lediglich Aufwandsersatzcharakter gehabt hätten. Weder seien diese Zahlungen nach bundesdeutschem Rechtsverständnis rentenversicherungspflichtiges Entgelt noch nach der Versorgungsordnung der Zv beitragspflichtig gewesen. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2010 zurückgewiesen.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Das Vg und das Bg seien unter Berücksichtigung der Entscheidung des BSG vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - Arbeitsentgelt, denn es seien nur für die Dauer des Dienstverhältnisses und nur im Zusammenhang mit der Beschäftigung nach der Besoldungsordnung die erbrachten Leistungen gewährt worden.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Urteil vom 20. Juli 2012 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 15. Dezember 2009 und Neufeststellung der Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung des Vg und des Bg. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 iVm Abs. 2 Sa...

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