Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Eingang. Zulassungantrag. rückwirkende Feststellung. Überversorgung. Ärzte-ZV hat Rang von förmlichen Bundesgesetzen
Orientierungssatz
1. Ein formell und materiell wirksamer Antrag auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung kann nicht mit einem Beschluss eines Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, der rückwirkend für einen Planungsbereich eine Überversorgung festgestellt hat, abgelehnt werden, wenn der Zulassungsantrag vor dieser Entscheidung des Landesausschusses beim Zulassungsausschuss eingegangen ist.
2. Die Bestimmungen der Ärzte-ZV haben wegen der zahlreichen Änderungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber insgesamt den Rang von förmlichen Bundesgesetzen (vgl zuletzt BSG vom 23.2.2005 - B 6 KA 69/03 R = SozR 4-2500 § 95 Nr 10).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2004 und der Beschluss des Beklagten vom 27. Februar 2004 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Kläger als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung im Zulassungsbezirk Berlin an dem beantragten Vertragsarztsitz zuzulassen.
Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zulassung als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung im ehemaligen Planungsbereich T.-K. des Zulassungsbezirks Berlin.
Der 1963 geborene und am 27. Dezember 1993 in das Arztregister eingetragene Kläger ist Facharzt für Orthopädie. Am 24. Juli 2003 beantragte er, ihn in seinem Fachgebiet zum 1. September 2003, hilfsweise zum 1. Oktober 2003, im ehemaligen Planungsbereich T.-K. zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen. Dieser Planungsbereich war nach dem Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen Berlin (im Folgenden: LA) vom 12. Februar 2003 (KV-Blatt 03/03, A 482) für Orthopäden nicht gesperrt.
Den Antrag lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte des Zulassungsbezirks Berlin mit Beschluss vom 17. September 2003 mit der Begründung ab, dass der mit Wirkung zum 1. Juni 2003 neu gebildete Planungsbereich Berlin Bundeshauptstadt für Orthopäden gesperrt sei. Der LA habe mit Beschluss vom 20. August 2003 (KV-Blatt 9/03, A 552) für die Fachgruppe der Orthopäden für diesen Planungsbereich einen Versorgungsgrad von 117,09 v. H. festgestellt und deshalb eine Zulassungssperre angeordnet. Hierzu sei der Landesausschuss aufgrund des Beschlusses des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (ab dem 1. Januar 2004: Gemeinsamer Bundesausschuss; im Folgenden: BA) vom 24. März 2003 (BAnz vom 10. Juli 2003, Nr. 125, S. 14785) befugt gewesen. Danach sei die Unterteilung des Zulassungsbezirkes Berlin in Planungsbereiche entsprechend den Berliner Verwaltungsbezirken aufgehoben und die Bildung des neuen Planungsbereiches Berlin-Bundeshauptstadt beschlossen worden. Dem LA habe der BA aufgegeben, rückwirkend, mit Wirkung zum 1. Juni 2003 Feststellungen über den Versorgungsgrad in diesem neuen Planungsbereich zu treffen. Nur Anträge, die ordnungsgemäß und vollständig vor dem 1. Juni 2003 eingegangen seien, hätten auf der Grundlage der vor dem 1. Juni 2003 gültigen Bedarfsplanung berücksichtigt werden können. Ein solcher Fall sei hier aber nicht gegeben. Der Antrag des Klägers sei erst nach dem 31. Mai 2003 bei dem Zulassungsausschuss eingegangen, so dass über diesen nur auf der Grundlage der neuen Rechtslage habe entschieden werden können.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch, mit dem sich der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrages im Kern mit der aus seiner Sicht rechtswidrigen Anordnung der rückwirkenden Zulassungsbeschränkung wandte, wies der Beklagte mit Beschluss vom 28. Januar 2004 im Wesentlichen aus den Gründen des Ausgangsbeschlusses zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vorgetragen, dass die Bildung des Planungsbereiches Berlin-Bundeshauptstadt rechtswidrig sei, weil diese die Zulassung weiterer Vertragsärzte zur ambulanten Versorgung auf unabsehbare Zeit ausschlösse. In jedem Fall aber sei eine ortsnahe Versorgung der Versicherten nicht mehr gewährleistet.
Nach Beiladung der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin sowie der Landesverbände der Primärkassen und der Verbände der Ersatzkassen (Beigeladene zu 1 bis 6) hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2004 abgewiesen: Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte die Zulassung des Klägers als Facharzt für Orthopäde zur vertragsärztlichen Versorgung in dem ehemaligen Planungsbereich T.-K. zu Recht abgelehnt habe. Seinem Begehren stehe die mit Wirkung zum 1. Juni 2003 im Planungsbereich Berlin Bundeshauptstadt angeordnete Zulassungsbeschränkung für die Fachgruppe der Orthopäden entgegen. Der entsprechende Beschluss des LA vom 20. August 2003 sei wir...