Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gästeführer bzw Tour-Guide bei Stadtrundfahrten. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit bei einem Gästeführer im Rahmen von Hop on/Hopp off-Stadtrundfahrten.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten für das Berufungsverfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1 in seiner Tätigkeit als Gästeführer für die Klägerin in der Zeit ab dem 6. März 2017 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Klägerin ist ein Busverkehrs- und Reiseunternehmen mit Sitz in B, das u.a. auf dem Gebiet der Stadt Berlin Busrundfahrten mit festen Fahrplänen und Abfahrtszeiten anbietet und durchführt. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Stadtrundfahrten, Fahrten mit einem Partybus, Busvermietung, Busreparatur, LKW-Reparatur, Busumbau, Busreisen (Seniorenreisen, Klassenfahrten, Schülerreisen, Fernreisen, Sportreisen, Städtereisen, Rundreisen, Tagesfahrten, Erlebnisfahrten), Messe-Shuttle-Service und Airport-Transfers an.
Am 11.02.2017 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1, der eine Internetseite als Stadtführer unter der Adresse www.j.de betreibt, einen „Honorarvertrag für freie Mitarbeiter / innen“. Als Beginn der Tätigkeit wurde hierin der 01.03.2017 vereinbart, zum Inhalt der Tätigkeit sind keine Abreden enthalten. Ferner heißt es in dem Vertrag:
„Für die Entrichtung der gesetzlichen Abgaben und Meldung (Steuer, Sozialversicherungsbeiträge, Arbeitsamt etc.) ist Herr / Frau B selbst verantwortlich.“
Ab dem 06.03.2017 war der Beigeladene zu 1 - mit verschiedenen durch die COVID-19 Pandemie bedingten Pausen - für die Klägerin tatsächlich tätig. Nach dem 7. November 2021 fanden keine Einsätze mehr statt.
Für die Zeit vom 06.03.2017 bis zum 31.12.2017 berechnete der Beigeladene zu 1 mit neun Rechnungen vom 05.04.2017, 04.05.2017, 01.06.2017, 02.07.2017, 03.08.2017, 04.09.2017, 13.10.2017, 06.11.2017 und 08.01.2017 der Klägerin für seine Leistungen jeweils Beträge zwischen 200,00 € und 675,00 € monatlich. Für die Zeit vom 04.01.2018 bis zum 22.02.2020 berechnete er mit insgesamt 15 Rechnungen jeweils Beträge zwischen 108,00 € und 1.951,80 € und für die Zeiträume vom 14.06.2020 bis zum 13.10.2020 sowie 05.07.2021 bis 07.11.2021 mit insgesamt sieben Rechnungen zwischen 211,20 € und 1.689,60 €. Pro ganzer Tour rechnete der Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin zwischen 105,00 € (Herbst/Winter) und 135,00 € (Frühjahr/Sommer) ab.
Am 25. Oktober 2017 beantragte der Beigeladene zu 1 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status im Hinblick auf seine Tätigkeit für die Klägerin. Er gab an, seit dem 01. März 2017 Stadtführungen bei Busrundfahrten (deutsch-englisch) durchzuführen. Neben der zu beurteilenden Tätigkeit sei er auch für den Tourismusverein T-K tätig. Weitere abhängige Beschäftigungen würden nicht ausgeübt. Eine Kontrolle im engeren Sinne erfolge nicht, es bestehe aber Kontakt zur Dispatcherin. Die tägliche Arbeitszeit sei festgelegt, die Auswahl der Termine frei. Die Tätigkeit werde im Bus auf fremden Routen ausgeübt. Er mache keine eigene Werbung außer der Verteilung von Visitenkarten. Ergänzend teilte der Beigeladene zu 1 unter dem 10. Januar 2018 mit, er biete der Klägerin Einsatzmöglichkeiten an, die dann per SMS durch die Dispatcherin bestätigt würden oder nicht. Er erbringe für die Klägerin je Tag fünf Runden, im Winter vier Runden deutsch-englische Stadtrundfahrten in Berlin. Eigenes Kapital setze er nicht ein, auch benötige er keine eigenen Arbeitsmittel. Bus, Fahrer und Mikrofonanlage würden durch die Klägerin zur Verfügung gestellt. Die Arbeitszeit betrage im Sommer neun Stunden, im Winter sieben Stunden. Im Sommer sei er zweimal wöchentlich, im Winter einmal wöchentlich für die Klägerin tätig. Ein Verhinderungsfall sei bisher nicht eingetreten.
Die Klägerin teilte auf Anfrage der Beklagten mit, der Beigeladene zu 1 sei als Bus-Guide bei Hop on / Hop off Stadtrundfahrten tätig und erzähle, während der Busfahrer fahre. Die jeweiligen Beauftragungen erfolgten per Handy bzw. E-Mail. Die Leistungen würden von 9:30 bis 17:00 Uhr erbracht. Eigenes Kapital setze der Beigeladene zu 1 nicht ein. Als Arbeitsmittel benötige er lediglich seine Stimme. Für den Tag, an dem der Beigeladene zu 1 gebucht sei, trete er als Mitarbeiter der Klägerin auf.
Mit Bescheid vom 16. März 2018 stellte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1 fest, dass die Tätigkeit des Beigelade...