Entscheidungsstichwort (Thema)

Unvererblichkeit des Anspruchs auf Blindenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Nach §§ 58, 59 SGB 1 sind Sozialhilfeansprüche nur vererblich, wenn der Hilfebedürftige seinen Bedarf mithilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat oder wenn wegen einer bereits vor dem Tod durch den Leistungserbringer gedeckten Bedarfslage bei diesem noch Schulden bestehen (BSG Urteil vom 21. 9. 2017, B 8 SO 4/16 R).

2. § 8 Nr. 6 SGB 12 bestimmt, dass die Sozialhilfe die Hilfe in anderen Lebenslagen, §§ 70 bis 74 SGB 12, umfasst. Der Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 Abs. 1 S. 1 SGB 12 ist grundsätzlich nicht vererblich oder übergangsfähig. Er hat höchstpersönlichen Charakter, sodass sein Zweck nach dem Tod des Leistungsberechtigten nicht mehr erreicht werden kann. Damit ist ein Anspruch auf Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB 1 ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger ist der Sohn und Alleinerbe der am 23. Juni 1923 geborenen und am 25. April 2011 verstorbenen EH (im Folgenden: H.), mit der er bei deren Ableben nicht in einem Haushalt lebte und die er zu diesem Zeitpunkt auch nicht wesentlich unterhielt. Er begehrt von dem Beklagten aus vermeintlich übergegangenem Recht Blindenhilfe gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2008 bis zum 24. April 2011.

H. erblindete im Juni 2003 aufgrund eines Schlaganfalls, erteilte wenig später dem Kläger Generalvollmacht und lebte ab Juli 2003 in einem Seniorenwohnheim. Bereits seit 1983 bezog sie Alters- und Witwenrente und seit spätestens 2006 zusätzlich Leistungen der Pflegeversicherung (Pflegestufe III).

Am 13. März 2007 beantragte sie (zunächst „formlos“ über das Seniorenwohnheim, später mithilfe eines vom Kläger ausgefüllten und unterzeichneten Formulars) unter Vorlage des Bescheides des Amtes für Soziales und Versorgung Potsdam vom 9. September 2003 - in dem es heißt, dass bei ihr ein Grad der Behinderung von 100 bestehe, dass sie die Merzeichen „B, G, Bl, H und RF“ erfülle und dass die Gültigkeit des ihr ausgehändigten Schwerbehindertenausweises „vom Monat der Ausstellung an für die Dauer von 5 Jahren befristet“ sei - „Sozialhilfe […] durch Gewährung von Hilfe nach Kapitel 5-9 SGB XII“.

Mit Bescheid vom 27. August 2007 bewilligte ihr der Beklagte ab dem 1. März 2007 „Hilfe zur Pflege“, und zwar „gem. § 19 Abs. 3 i.V.m. § 61 SGB XII […] die Kosten der Unterbringung in der Einrichtung Seniorenheim […] längstens bis zum Verlassen der Einrichtung bzw. zum Wegfall der Voraussetzungen, die zur Aufnahme in die Einrichtung geführt haben“ und „gemäß § 35 Abs. 2 SGB XII einen Barbetrag in Höhe von monatlich 93,15 €, ab 01.07.2007 in Höhe von monatlich 93,69 €“.

Mit (an den Kläger gerichteten) Bescheid vom 31. Mai 2011 bewilligte der Beklagte H. Blindenhilfe für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. August 2008 (292,50 € monatlich ab 1. März 2007, 294,08 € monatlich ab 1. Juli 2007 und 297,32 € monatlich ab 1. Juli 2008) und verfügte zugleich, dass die Nachzahlung in Höhe von 5.293,60 € mit einer „Rückforderung der ergänzenden Hilfe zur Pflege (Barbetrag)“ in Höhe von 1.684,26 € verrechnet werde.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2011 teilte der Kläger dem Beklagte mit, dass er sich sehr freue, wenn dieser „die Blindenhilfe überprüfen“ könne. Wenig später stellte er klar, dass er mit Schreiben vom 2. Juli 2011 einen „Überprüfungsantrag“ gestellt habe, der sich auf den Bescheid vom 31. Mai 2011 beziehe. Ihm sei nicht klar, weshalb die Nachzahlung der Blindenhilfe für den Zeitraum 1. März 2003 bis 31. August 2008 mit einer Rückforderung für den so genannten Barbetrag verrechnet werde. Seiner Mutter habe Blindenhilfe bis zu deren Tod zugestanden.

Mit Bescheid vom 26. September 2012 lehnte der Beklagte den „Überprüfungsantrag“ ab. Der Kläger habe auf das Schreiben vom 30. Juli 2008 - mit dem er (der Beklagten) ihn um Übersendung einer „aktuellen Kopie“ des H. erteilten Schwerbehindertenausweises und des Bescheides „über die Verlängerung der Schwerbeschädigung ab 01. 09.2008“ gebeten hatte - nicht reagiert. Deshalb habe ein Nachweis für „die Anspruchsvoraussetzungen für Blindenhilfe nach § 72 SGB XII ab 01.09.2008 nicht“ vorgelegen.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2012 erhob der Kläger erfolgslos (Widerspruchsbescheid vom 28. März 2013) Widerspruch. Das Mitwirkungsverlangen des Beklagten vom 30. Juli 2008 habe er nicht erhalten. Eine Kopie des „neuen“ Schwerbehindertenausweises habe er unverzüglich nach dessen Erhalt an den Beklagten gesandt.

Nachdem der Beklagte eingeräumt hatte, dass der „Überprüfungsantrag“ des Klägers als ein gegen den Bescheid vom 31. Mai 2011 gerichteter Widerspruch zu werten se...

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