Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung nicht antrags- und genehmigungspflichtiger psychotherapeutischer Leistungen
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Berlin-Potsdam vom 17.11.2021 - L 7 KA 27/16, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB V § 87b Abs. 2 S. 6, Abs. 3 S. 4; SGB V a.F. § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2c Sätze 6-7, § 87a Abs. 2, 3 Sätze 2, 5, § 87b Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Sätze 1, 3, 6-7, Abs. 3 S. 5, Abs. 4 Sätze 1, 3, § 87c Abs. 1 S. 1, Abs. 2c Sätze 6-7; GG Art. 3 Abs. 1; SGG § 12 Abs. 3, § 54 Abs. 2 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 197a Abs. 1; VwGO § 154 Abs. 2-3, § 162 Abs. 3
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung der vom Kläger im Quartal II/10 erbrachten nicht antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Abschnitt 35.1 EBM.
Der Kläger nimmt seit 1. September 1999 als psychologischer Psychotherapeut an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teil und führt eine Praxis in Berlin-P.
Mit Honorarbescheid für das Quartal II/10 erhielt er ein Gesamthonorar in Höhe von 16.848,37 Euro, nach Abzug der Verwaltungskosten in Höhe von 16.612,49 Euro.
Die ihm zugewiesene zeitbezogene Kapazitätsgrenze (30.288 Minuten) unterschritt er um 19.718 Minuten. Für antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen erhielt er die Vergütung zu den Preisen der Euro-Gebührenordnung nach dem Orientierungspunktwert von 3,5048 Cent.
Auf die nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen entfiel ein Honorar in Höhe von 4.179,17 Euro, das die Beklagte nach einem quotierten Punktwert von 2,4757 Cent berechnete; wären diese Leistungen nach dem Orientierungspunktwert vergütet worden, hätte das Honorar des Klägers sich insoweit auf 5.854,73 Euro belaufen (Differenz: 1.675,56 Euro). Der Punktwert von 2,4757 Cent entsprach demjenigen für die mengenbegrenzenden Maßnahmen gemäß Anlage 1a zum Honorarvertrag 2010 für den fachärztlichen Versorgungsbereich („Zur Leistungsmengenbegrenzung wird für die vorgenannten Leistungsbereiche der Leistungsbedarf - soweit möglich - des entsprechenden Quartals aus dem Jahr 2008, unter Berücksichtigung der Auswirkungen der regionalen HVV-Quote reduziert um einen Abschlag von 10 v. Hundert, bewertet zu den Preisen der aktuell gültigen Eurogebührenordnung je Quartal innerhalb des jeweiligen Versorgungsbereichs festgeschrieben. Soweit die Leistungsanforderung über alle genannten Leistungsbereiche des jeweiligen Versorgungsbereichs die festgeschriebene Menge dieses Versorgungsbereichs überschreitet, wird die arztseitige Vergütung entsprechend quotiert.“)
Mit seinem Widerspruch rügte der Kläger die nur quotierte Vergütung der erbrachten nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen. Sämtliche nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen seien im Rahmen der Kapazitätsgrenze nach den Werten der Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Die Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei nicht beachtet worden; so habe dieses etwa entschieden, dass der Punktwert für probatorische Sitzungen 2,56 Cent nicht unterschreiten dürfe (Hinweis auf B 6 KA 9/07 R).
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2012 gab die Beklagte dem Widerspruch insoweit statt, als probatorische Sitzungen (EBM-Nr. 35150) nun - entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu B 6 KA 9/07 R - mit einem Punktwert von 2,56 Cent vergütet wurden. Mit Änderungsbescheid vom 1. Februar 2013 wurde dem Kläger insoweit weiteres Honorar in Höhe von 63,29 Euro zuerkannt.
Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Quotierung der nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen entspreche den Vorgaben des Bewertungsausschusses, insbesondere in seinem Beschluss vom 22. September 2009 (199. Sitzung) zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2010, dort Teil F II. („Konvergenzphase“). Danach könnten auch „freie Leistungen“ einer Steuerung unterzogen werden, um einer nachteiligen Auswirkung auf die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung zu Lasten anderer Ärzte oder Arztgruppen (z. B. durch Mengenentwicklung) entgegenzuwirken. Ursache für die Einführung der Mengenbegrenzungsregelung für die „freien Leistungen“ sei der Verfall der Fallwerte im Regelleistungsvolumen trotz gleichbleibender Gesamtgeldmenge um etwa 15 Prozent im Quartal I/10 gegenüber dem Quartal I/09. Dies habe zur Anlage 1a im Honorarvertrag 2010 geführt, die mengenbegrenzende Maßnahmen ermögliche. Man habe im Sinne der Sicherung einer flächendeckenden Versorgung keine andere Möglichkeit des Eingreifens gehabt als die nicht dem Regelleistungsvolumen unterliegenden, aber innerhal...