Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Festbeträge für Hilfsmittel. Festbetragsfestsetzung. Anfechtungsbefugnis. Fortsetzungsfeststellungsinteresse. gesetzliche Prozessstandschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Innungsverbände sind nicht Träger des Grundrechts auf Berufsfreiheit.
2. Innungsverbände können die Rechte der ihnen unmittelbar oder mittelbar angehörenden Handwerksbetriebe nicht im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft geltend machen.
3. Die Festsetzung von Festbeträgen für Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie und Stomaartikel durch die Allgemeinverfügungen vom 1.12.2004 und 23.10.2006 waren weitestgehend rechtmäßig.
4. Es bleibt offen, ob § 96 SGG auch bei Festbetragsfestsetzungen im Hilfsmittelbereich anwendbar ist.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. August 2007 geändert. Es wird festgestellt, dass die Festbetragsfestsetzung vom 1. Dezember 2004 rechtswidrig war, soweit sie bezüglich der Produktgruppe der Hilfsmittel zur Kompressionstherapie folgende Regelung enthielt: “Die Körpermaße sind auf der Basis des vorgenannten Maßschemas vollständig bei der Abrechnung anzugeben.„
2. Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2007 geändert. Es wird festgestellt, dass die Festbetragsfestsetzung vom 23. Oktober 2006 rechtswidrig war, soweit sie bezüglich der Produktionsgruppe der Hilfsmittel zur Kompressionstherapie folgende Regelung enthielt: “Die Körpermaße sind auf der Basis des vorgenannten Maßschemas vollständig bei der Abrechnung anzugeben.„
3. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger gesamtschuldnerisch zu 19/20 und der Beklagte zu 1/20. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen Festbetragsfestsetzungen, die die Beigeladenen für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 für bestimmte Produktgruppen im Hilfsmittelbereich vorgenommen haben.
Der Kläger zu 1.) ist eine juristische Person des privaten Rechts im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 80 Satz 1 Handwerksordnung (HwO) für das Orthopädie-Mechaniker- sowie für das Bandagisten-Handwerk. Nach eigenen Angaben repräsentiert er zugelassene Leistungserbringer für die Abgabe von Hilfsmitteln mit einem Organisationsgrad von mindestens 90% bundesweit, soweit es sich um Sanitätshäuser mit einer bestimmten Zulassung handelt, und hat für alle Mitgliedsbetriebe bundesweit geltende Verträge nach § 127 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung (alte Fassung - aF) abgeschlossen. Nach § 5 seiner Satzung können neben den Landesinnungsverbänden nach § 79ff HwO auch Handwerksinnungen und selbständige Handwerker die Mitgliedschaft erwerben, soweit sie nicht anderweitig auf Bundesebene vertreten sind. Zu seinen Aufgaben zählt nach § 3 seiner Satzung unter anderem, die Interessen der beiden o.g. Handwerke wahrzunehmen und die angeschlossenen Landesinnungsverbände und Handwerksinnungen in der Erfüllung ihrer gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgabe zu unterstützen. Ferner kann er die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der den angeschlossen Landesinnungsverbänden und Handwerksinnungen angehörenden Mitglieder fördern (§ 4 der Satzung).
Die Klägerinnen zu 2.) bis 6.), deren Mitglieder ebenfalls zugelassene Leistungserbringer nach § 126 SGB V aF sind, haben nach eigenen Angaben für diese auf Landesebene Verträge mit den Primärkassen über die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln nach § 127 Abs. 1 SGB V in der bis zum 31. März 2007 geltenden Fassung geschlossen.
Die Rechtsvorgänger der Beigeladenen haben in ihrer damaligen Funktion als Spitzenverbände der Krankenkassen am 1. Dezember 2004 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 (B Anz. vom 10. Dezember 2004, Nr. 235a) bundesweite Festbeträge unter anderem für Einlagen, Inkontinenzhilfen, Hilfsmittel zur Kompressionstherapie und Stomaartikel beschlossen. Im Kapitel “Festbeträge für Einlagen„ finden sich unter anderem folgende Passagen:
“Die Spitzenverbände der Krankenkassen bestimmen gemäß § 36 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit (i.V.m.) § 213 SGB V gemeinsam und einheitlich Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen setzen auf dieser Basis die nachfolgenden Festbeträge für Einlagen fest. Die Festbeträge treten am 1. Januar 2005 in Kraft und gelten bundesweit.
Bei den Festbeträgen für Einlagen handelt es sich um Bruttopreise, die die gesetzliche Mehrwertsteuer in der jeweils geltenden Höhe enthalten. Eine ggf. notwendige Anpassung wird im Rahmen der nach § 36 i.V.m. § 35 SGB V vorgeschriebenen Überprüfung vorgenommen.
Nach neueren Erkenntnissen ist bei der Abgabe von Kopieeinlagen (08.03.01) ein Gipsabdruck nicht erforderlich. Deshal...