Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. Beitragstragung bei versicherungspflichtig beschäftigten Behinderten in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen. Einmalzahlung. Überschreitung des nach § 235 Abs 3 SGB 5 maßgeblichen Mindestarbeitsentgelts. Anwendung der Regelung des § 20 Abs 3 S 2 SGB 4 idF vom 24.7.2003 nach Wegfall des § 249 Abs 3 SGB 5 mit Wirkung vom 1.8.2003

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 20 Abs 3 S 2 SGB 4 idF vom 24.7.2003, wonach der Arbeitgeber für bestimmte Geringverdiener bis zur Grenze des § 235 Abs 3 SGB 5 die Beiträge aus dem einmalig gezahlten Arbeitsentgelt allein zu tragen hat und nur für den das Mindestarbeitsentgelt übersteigenden Betrag eine hälftige Beitragstragung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem erfolgt, ist auch auf den Personenkreis der versicherungspflichtig behinderten Menschen nach § 5 Abs 1 Nr 7 oder 8 SGB 5 (vgl § 251 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 5), die regelmäßig ebenfalls nur über geringe Einnahmen verfügen, anzuwenden. Der Gesetzgeber hat bei der Streichung des § 249 Abs 3 SGB 5 durch das Gesetz

zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze - SGBuaÄndG (BGBl I 2003, 1526) vom 24.7.2003 übersehen, klarzustellen, dass durch die generelle Streichung dieser Norm dem an sich über § 251 Abs 2 S 1 Ziffer 2 SGB 5 begünstigen Personenkreis die Vorteile einer arbeitsnehmerfreundlichen Beitragstragung in Fällen der Überschreitung der Grenze des § 235 Abs 3 SGB 5 bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt nicht genommen werden soll. Ein Wertungswiderspruch zur generellen Aufhebung des § 249 Abs 3 SGB 5 ergibt sich insoweit nicht, weil nur für die § 20 Abs 3 S 1 Nr 1 und 2 SGB 4 vergleichbare Gruppe der in § 251 Abs 2 S 1 Ziffer 2 SGB 5 Genannten die arbeitnehmergünstige Regelung zur Anwendung gelangt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.07.2014; Aktenzeichen B 12 P 1/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten der Klägerin zu erstattenden Beiträge zur Pflegeversicherung für Lohnzahlungen an behinderte Menschen, die in einer Werkstatt der Klägerin beschäftigt werden.

Die Klägerin ist ein Träger einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen im Sinne des § 136 des IX. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Die Beklagte ist zuständiger Leistungsträger der Eingliederungshilfe.

An behinderte Menschen, die im Arbeitsbereich der Klägerin im Rahmen von Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 des V. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) versicherungspflichtig beschäftigt sind, zahlt die Klägerin im Jahr ein Arbeitsentgelt von 120,- €/Monat. Die hierauf von der Klägerin entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden ihr in der Regel von der Beklagten gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 SGB V erstattet.

Im Monat Juni 2006 zahlte die Klägerin zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt eine Ausschüttung (Einmalzahlung) und entrichtete hierauf entsprechende Beiträge zur Sozialversicherung. Mit Rechnung vom 30. Juni 2006 machte die Klägerin für 35 bei ihr beschäftigte behinderte Menschen die insoweit geleisteten Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 7.966,44 € geltend. Mit Schreiben vom 21. Juli 2006 sagte die Beklagte die Rückerstattung der Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 4.348,97 € zu; die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge würden nach entsprechender Korrekturabrechnung unter Berücksichtigung des Rundschreibens des Landesamtes für Soziales und Versorgung vom 17. Januar 2006 (Nr. 1/2006) erstattet.

Mit Bescheid vom 12. September 2006 lehnte die Beklagte den Erstattungsanspruch teilweise ab. Gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 SGB V habe die Beklagte die Beiträge, die die Klägerin als Träger der Einrichtung zu tragen habe, zu erstatten. Gemäß § 249 Abs. 1 SGB V sei bei einer Überschreitung der Mindestarbeitsentgelte u. a. der Pflegeversicherungsbeitrag je zur Hälfte vom versicherungspflichtigem Beschäftigten und vom Träger der Einrichtung zu tragen. Die Mindestarbeitsentgelte würden hier aufgrund der Addition von laufendem Arbeitsentgelt und Ausschüttung überschritten. Eine höhere Erstattung scheide daher aus. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 29. September 2006 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2007 zurück.

Die Klägerin hat am 8. März 2007 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, mit der sie eine Erstattung von Beiträgen in Höhe von weiteren 1.189,57 € (1.068,71 € Beiträge zur Krankenversicherung und 120,86 € Beiträge zur Pflegeversicherung) geltend gemacht hat (Aktenzeichen des Sozialgerichts Frankfurt (Oder): S 4 KR 43/07).

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2010 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) das Verfahren abtrennt, soweit die Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung begehrt worden ist. Dieses strei...

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