Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztenrente nach Arbeitsunfall. Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Höherbewertung der bereits durch einen Prozessvergleich anerkannten Unfallfolgen. Anwendbarkeit der RVO

 

Orientierungssatz

1. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist erforderlich, dass sowohl zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Arbeitsunfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht.

2. Der Unfallverletzte und der Unfallversicherungsträger können Ungewißheiten über die Folgen eines Arbeitsunfalles und die daraus resultierende MdE im gerichtlichen Verfahren durch den Abschluss eines Vergleichs beseitigen. Eine nachträgliche Höherbewertung der MdE kann dann angesichts des geschlossenen Vergleiches nur aufgrund von Gesundheitsschäden erfolgen, die zweifelsfrei bei Vergleichsabschluss noch nicht vorlagen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 01.09.1999 - L 8 U 23/99).

3. Zur Einschätzung der MdE sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 21. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer höheren Verletztenrente unter Anerkennung weiterer Unfallfolgen und Höherbewertung der bereits als Folgen eines Unfalls März 1946 anerkannten Unfallfolgen.

Der 1932 geborene Kläger arbeitete zum Zeitpunkt des Unfalls im März 1946 bei einem Kommando der Roten Armee, als er durch eine Luke im Heuboden stürzte, auf dem Zementboden aufschlug und sich das rechte Bein verletzte.

Nachdem die Beklagte die Anerkennung von rentenberechtigenden Arbeitsunfallfolgen zunächst abgelehnt hatte, schlossen die Beteiligten im dagegen angestrengten Verfahren L 1 U 9/94 am 13. März 1998 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger mit Beginn vom 1. Januar 1992 wegen eines Arbeitsunfalls vom März 1946 Unfallrente beziehungsweise Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v.H. zu gewähren und dabei als Unfallfolge “eine Einsteifung des rechten Hüftgelenks in Funktionsstellung mit Beinverkürzung bei seit 1954 ruhender Osteomyelitis„ zu Grunde legen.

Am 4. März 2003 beantragte der Kläger die Überprüfung dieser Entscheidung und führte unter anderem aus, sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten drei Jahren zunehmend verschlechtert.

Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. Sp am 17. Juni 2003 ein chirurgisch/unfallchirurgisches Gutachten und führte in diesem unter anderem aus, bei dem Kläger liege seit vielen Jahren eine vollständige Versteifung des rechten Hüftgelenkes mit konsekutiver Verkürzung des rechten Beines um circa 2 cm infolge einer tuberkulösen Entzündung des rechten Hüftgelenkes vor. Die Entzündung ruhe seit vielen Jahrzehnten und sei seit 1954 nicht mehr aufgetreten. Die Versteifung des Hüftgelenkes mit konsekutiver Verkürzung des rechten Beines und die ruhende Entzündung des rechten Hüftgelenkes seien als Folge eines Unfalls aus dem Jahre 1946 durch einen gerichtlichen Vergleich anerkannt und mit einer MdE von 40 v.H. bewertet worden. Anlässlich seiner gutachtlichen Untersuchung des Klägers im Mai 2003 hätten sich an Gesundheitsstörungen, die ursächlich auf das als Arbeitsunfallfolge anerkannte Hüftleiden rechts zurückzuführen seien:

die vollständige Versteifung des rechten Hüftgelenkes in funktionsgünstiger Stellung,

die Verkürzung des rechten Beines um circa 2 cm,

die vollständige Versteifung der rechten Kreuzbein-Darmbeinfuge,

der vorauseilende Verschleiß des rechten Kniegelenks mit endgradiger Bewegungseinschränkung und

die leichte Minderung der Muskulatur des rechten Beines

gefunden. Die nachfolgend genannten Gesundheitsstörungen am Haltungs- und Bewegungsapparat könnten nicht als unmittelbare oder mi...

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