Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegestufe. Arztbesuche. Berücksichtigung von Zeiten der Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung beim Pflegebedarf
Orientierungssatz
1. Die Zuordnung zur Pflegestufe 1 setzt voraus, dass der Betroffene bei der Grundpflege für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt.
2. Die Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden. Ist die Anwesenheit einer Pflegeperson zur Begleitung während der Fahrt, der Wartezeit und der Behandlungszeit beim Arzt bzw. Krankengymnasten aus medizinischer Sicht nicht erforderlich, sind die entsprechenden Zeiten nicht berücksichtigungsfähig.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I für den Zeitraum ab März 2005.
Der 1926 geborene Kläger beantragte im März 2005 bei der Beklagten Pflegegeld. Diese holte daraufhin das MDK-Gutachten der Ärztin W vom 28. September 2005 ein, die eine erhebliche Pflegebedürftigkeit verneinte: Der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 5 Minuten; der Zeitbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung umfasse 64 Minuten pro Tag. Dem Gutachten folgend lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 20. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2005 ab.
Mit der bereits am 9. November 2005 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat das Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. B vom 8. März 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 12. Juli 2006 eingeholt, die einen täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege von 26 Minuten und für die hauswirtschaftlichen Verrichtungen von mehr als 45 Minuten ermittelt hat.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. Januar 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass der Kläger nicht erheblich pflegebedürftig sei. Zutreffend habe die Gutachterin den täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege für das Duschen/Baden mit 15 Minuten, das Kämmen/Rasieren mit 6 Minuten, die mundgerechte Zubereitung der Nahrung mit 2 Minuten, das Aufstehen/Zubettgehen mit 1 Minute und das An-/Auskleiden mit 2 Minuten, also insgesamt 26 Minuten, festgestellt. Die Behandlung des Fußpilzes und der Kopfhaut sei keine Verrichtung der Grundpflege, sondern der Behandlungspflege. Beim Verlassen bzw. Wiederaufsuchen der Wohnung sei nur derjenige Hilfebedarf zu berücksichtigen, der unmittelbar für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendig sei. Hierzu gehören Arztbesuche, wenn sie wenigstens einmal pro Woche anfielen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellte, dass diese Voraussetzung zutreffe, seien allenfalls täglich 9 Minuten zu berücksichtigen, die auch bei Hinzurechnung eines Hilfebedarfs von weiteren 4 Minuten für das An-/Ausziehen der Stützstrümpfe den für die Zuerkennung von Pflegegeld erforderlichen Zeitaufwand von 45 Minuten nicht erreichten.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat zunächst vorgetragen, jeweils mindestens einmal pro Woche einen Arzt aufgesucht zu haben und zur Krankengymnastik gegangen zu sein.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachten der Arbeitsmedizinerin Dr. F vom 14. Februar 2009, ergänzt durch die Stellungnahme vom 25. Mai 2009, die eine erhebliche Pflegebedürftigkeit des Klägers nicht hat feststellen können.
Unter Vorlage diverser medizinischer Unterlagen bringt der Kläger vor, dass sich seine Leiden verschlimmert hätten. Verschiedene Operationen ständen an; seine Schmerzen seien unerträglich. Er müsse zweimal im Monat einen Internisten aufsuchen. Im ersten Quartal 2009 habe er 24 Physiotherapieanwendungen erhalten. Im Oktober 2009 hat er mitgeteilt, monatlich zehnmal einen Arzt und Therapeuten aufgesucht zu haben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2005 zu verpflichten, ihm ab März 2005 Pflegegeld der Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorg...