Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. elektronische Gesundheitskarte (eGK). derzeitige Anwendung verstößt nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Leitsatz (amtlich)
Die elektronische Gesundheitskarte verstößt in ihrer derzeitigen Anwendung nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl BSG vom 18.11.2014 - B 1 KR 35/13 R = BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Er sieht sich in der Pflicht zur Benutzung der Karte in Grundrechten verletzt, vor allem wegen fehlender gesetzlicher Detailregelungen des Datenschutzes.
Er ist bei der Beklagten pflichtversichert.
Nachdem diese - nach seinem Vortrag - auf sein Schreiben mit dem Begehren eines rechtsmittelfähigen Bescheides vom 13. März 2013 nicht reagiert hatte, hat er am 17. Juni 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
Er hat vorgebracht, die einschlägigen §§ 291a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis Satz 6, Abs. 7 und 291b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien verfassungswidrig. Es werde rechtswidrig in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und auch Art. 2 Abs. 2 GG eingegriffen.
Es fehle insbesondere an der erforderlichen Regelungsdichte. Der Gesetzgeber habe die Regelung wichtiger Fragen nicht auf die “Gesellschaft für Telematik„ und die Spitzenverbände “abschieben„ dürfen. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) zur Vorratsdatenspeicherung (Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08) seien nicht eingehalten. Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seien unverhältnismäßig, da es weniger eingreifende Alternativen gäbe.
Auch wenn er sich gegen alle freiwilligen Anwendungen der eGK entscheide, werde er de facto gezwungen werden, sich von Ärzten und sonstigen Dienstleistern behandeln zu lassen, die seine Krankheiten und Behandlungen in Computern dokumentierten, welche an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen seien. Denn nach Einführung der Telematik-Infrastruktur aufgrund der §§ 291a, 291b SGB V hätten die Ärzte keine Kontrolle mehr darüber, welche Daten sie aus ihren Praxissystemen an die Kassenärztlichen Vereinigungen weiterleiteten. Mit der eGK werde eine Infrastruktur in Betrieb genommen, die keine technischen Grenzen für neue Funktionalitäten enthalte. Sie lasse laufende Erweiterungen zu, auch wenn die Anwendung bislang auf das sogenannte Versichertenstammdatenmanagement beschränkt sei. Die vorgesehene Architektur sei auch nicht sicher, sondern durch die Nutzung des Internets von außen verletzbar. Besonders unsicher sei die zentrale Speicherung anstelle der Verwendung eigener Speichermedien des Versicherten.
Die vorgesehene technische Normierung schränke allein dadurch, dass für den Arzt die Eingabe von Freitext unterbunden werde und nur die Auswahl von Klassifizierungselementen zulässig sei, die ärztliche Behandlungsfreiheit ein. Den Ärzten sei bislang nicht vorgeschrieben, wie sie ihre Patientengespräche und Diagnosen aufzeichneten. Daran ändere sich nur theoretisch nichts. Denn künftig würden es alle Ärzte vermeiden, ihre Patientenakten doppelt führen zu müssen diese nachträglich für die Zwecke der Gematik umzuschreiben.
Zuletzt verstoße die bereits praktizierte Fachanwendung Versichertenstammdatenmanagement gegen das Datenschutzrecht. Ob z.B. der Versicherte an Disease-Management-Programmen, also an “strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten„ gemäß § 137f, 137g SGB V) teilnehme, gehe nicht betroffene Behandler mit Kartelesegerät nichts an.
Das SG hat dem Vorbringen den Antrag entnommen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Kläger ohne eGK mit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen zu versorgen. Es hat diese Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Januar 2014 abgewiesen: Soweit sich der Kläger gegen die in § 291a Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Anwendungsmöglichkeiten der eGK wende, sei eine Rechtsverletzung nicht erkennbar und die Klage daher bereits unzulässig. Insoweit sehe das Gesetz nämlich nur die Möglichkeit vor, auf freiwilliger Basis über die Pflichtfunktion der eGK hinaus Datenanwendungsmöglichkeiten zu nutzen. Eine Einwilligung zur Nutzung von Daten mittels der eGK habe der Kläger gerade nicht erteilt. Mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten der Versicherten nach § 291a Abs. 3 SGB V dürfe zudem erst begonnen werden, wenn die Versicherten dann jeweils gegenüber dem Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten oder Apotheker ihre Einwilligung dazu erklärt hätten. Dies entspreche den datenschutzrechtlichen Bestimmungen bezüglich der besonderen Arten personenbezogener (Gesundheits)Daten im Sinne des qualifizierten Einwilligungserfordernisses nach § 67a Abs. 1 Satz 4 Soz...