Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Leistungen für Arbeitssuchende: Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit. Beweislast für das Bestehen eines Treuhandverhältnisses über ein Kontoguthaben. Umfang der Amtsermittlungspflicht des Sozialgerichts
Orientierungssatz
1. Hat ein Empfänger von Arbeitslosenhilfe bzw. sein Ehegatte im Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe ein Guthaben auf einem auf seinen Namen oder den Namen des Ehegatten geführten Bankkonto ausgewiesen, das die Selbstbehaltsgrenzen übersteigt, so entfällt die Bedürftigkeit in Bezug auf die Sozialleistung. Das gilt auch dann, wenn das Guthaben nach der Behauptung des Kontoinhabers zugunsten eines Dritten als Geldanlage eingezahlt wurde (hier: Einzahlungen durch Verwandte), solange der Kontoinhaber selbst Gläubiger der Auszahlungsforderung gegenüber der Bank ist und bei der Einzahlung gerade kein nach außen gerichteter Wille des Einlegers deutlich wurde, selbst Inhaber der Auszahlungsforderung sein zu wollen.
2. Die bloße Behauptung eines Treuhandverhältnisses gegenüber einem Dritten bezüglich eines auf dem Konto eines Sozialleistungsempfängers befindlichen Guthabens hindert nicht die vorrangige Verwertbarkeit des Guthabens zur Abwendung einer Hilfebedürftigkeit. Der vollständige Nachweis des Bestehens eines solchen Treuhandverhältnisses obliegt dabei im Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit eines Rücknahmebescheides in einer Umkehr der Beweislast dem Sozialleistungsempfänger (Anschluss: BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 Az.: B 11a AL 49/05 R).
3. Im Rahmen des gemäß § 103 SGG bestehenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist das Gericht zu Nachforschungen zur Ergründung des Sachverhalts nur insoweit gehalten, wie der Sachverhalt und der Vortrag der Beteiligten diese nahe legen. Wurden Angaben zum Sachverhalt dagegen nur “ins Blaue„ hinein getätigt, kann das Gericht von weiteren Ermittlungen dazu absehen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die vollständige Rücknahme bzw. Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Kläger für den Zeitraum vom 13. August 1993 bis zum 31. Dezember 2003 sowie damit verbunden die Erstattung überzahlter Arbeitslosenhilfe in Höhe von 73.095,06 Euro zzgl. der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 22.817,45 Euro, insgesamt einen Betrag in Höhe von 95.912,51 Euro.
Der 1965 in der Türkei geborene Kläger lebt seit 1974 in der Bundesrepublik Deutschland und ist seit 1986 verheiratet. Nach einer abgebrochenen Ausbildung als Maschinenbauer (von September 1982 bis November 1983) stand der Kläger seit 1983 wiederholt im Leistungsbezug bei der Beklagten. Von 1984 bis zum 8. Mai 1991 war er als Lagerarbeiter bei der S GmbH & Co KG (B) beschäftigt. Am 17. Oktober 1991 meldete er sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, welches ihm antragsgemäß ab dem 17. Oktober 1991 nach einem Bemessungsentgelt von 680 DM mit einem täglichen Leistungssatz von 46,40 DM bis zur Erschöpfung des Anspruches am 22. Juli 1992 gezahlt worden war.
Mit von ihm am 6. April 1993 unterschriebenem Antragsformular beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe, wobei er angab, in der Zwischenzeit von dem Gehalt der Ehefrau und Erspartem gelebt zu haben. Mit seiner Unterschrift bestätigte er, weder Einnahmen noch Vermögen zu haben und das Merkblatt für Arbeitslose “Ihre Rechte - Ihre Pflichten„ erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben . Die Beklagte bewilligte und zahlte ihm schließlich ab dem 3. März 1993 Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von 710 DM mit einem täglichen Leistungssatz von 37,10 DM. Gezahlt wurde zunächst für den Zeitraum vom 3. März 1993 bis zum 22. Juli 1993; die Zahlung wurde dann wegen einer Ortsabwesenheit des Klägers ab dem 23. Juli 1993 eingestellt. Ab dem 13. August 1993 wurde dem Kläger erneut Arbeitslosenhilfe bewilligt, nunmehr nach einem Bemessungsentgelt von 750 DM.
Auch in den insgesamt 12 Folgeanträgen auf Arbeitslosenhilfe vom 31. August 1993, 20. Mai 1994, 24. April 1995, 25. Februar 1996, Mai 1997, 9. Mai 1998, 9. Mai 1999, Mai 2000, 8. Mai 2001, 7. Mai 2002, 27. Mai 2002 und 7. Mai 2003 bestätigte der Kläger jeweils durch seine Unterschrift kein Vermögen zu haben und das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Die Beklagte zahlte insgesamt antragsgemäß mit kurzen Unterbrechungen (beispielsweise wegen Nichterscheinens oder Ortsabwesenheit) durchgehend Arbeitslosenhilfe vom 3. März 1993 bis 31. Dezember 2003.
Auch die Ehefrau des Klägers, Frau F K, erhielt mit Unterbrechungen vom 4. Januar 1996 bis zum 31. Oktober 2003 von der Beklagten Arbeitslosenhilfe.
Mit Schreiben vom 15. Juni 1998forderte die Beklagte den Kläger nach einem bekannt gewordenen Freistellungsa...