Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. verdecktes Treuhandvermögen. Begründungsmangel des Rücknahme- und Erstattungsbescheides. Berücksichtigung neuer erst im gerichtlichen Verfahren bekannt werdender Tatsachen
Orientierungssatz
1. Zur Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung wegen Vermögensanrechnung und Nichtvorliegen verdeckten Treuhandvermögens.
2. Bei gebundenen Verwaltungsakten - wie hier bei einem Rücknahme- und Erstattungsbescheid - ist ein Begründungsmangel grundsätzlich entscheidungsunerheblich, wenn das Gericht die getroffene Regelung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen hat. Der Begründungsmangel rechtfertigt nicht die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts (vgl BSG vom 29.6.2000 - B 11 AL 85/99 R = BSGE 87, 8 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9).
3. Die Berücksichtigung auch solcher Rechtsgründe (hier längere Dauer fehlender Bedürftigkeit gem § 9 AlhiV durch höheres Vermögen), welche zur Begründung des angefochtenen Rücknahme- und Erstattungsbescheides mangels konkreter Kenntnis des Gesamtvermögens des Arbeitslosen zum damaligen Zeitpunkt nicht angeführt werden konnten, ist im gerichtlichen Verfahren nicht ausgeschlossen, wenn der Bescheid nicht auf einen außerhalb des Erkenntnisbereichs des Arbeitslosen liegenden anderen Lebenssachverhalt gestützt, der Verwaltungsakt nach Voraussetzung, Inhalt und Wirkung nicht wesentlich verändert und die Rechtsverteidigung des Arbeitslosen nicht erschwert wird.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahmen von Bewilligungen von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeiträume vom 16. Februar 1994 bis 14. Dezember 1995, 16. Juni 1997 bis 15. Februar 1998 und 26. April 2002 bis 30. Juni 2003 und damit einhergehend gegen die Erstattung von Alhi nebst Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 35.717,57 €.
Der 1952 geborene, ledige Kläger bezog bis zum 15. Februar 1994 Arbeitslosengeld (Alg) mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 247,20 DM nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 620,00 DM (Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0; Alg-Bewilligungsverfügung vom 10. September 1993).
Der Kläger beantragte am 31. Januar 1994 Alhi ab 16. Februar 1994. In dem Zusatzblatt zum Antrag auf Alhi gab er zum Kapitalvermögen (Bargeld, Sparguthaben) einen Betrag in Höhe von 3.700,00 DM an. Im Übrigen beantwortete er die Fragen nach Wertpapieren, Bausparverträgen, Lebensversicherungen, sonstigem Kapitalvermögen, Gegenständen von besonderem Wert, Haus- und Grundbesitz, Eigentumswohnung sowie Erträgen in Form von Zinsen, Dividenden u. ä. mit “nein„. Die Erklärung unterzeichnete er ebenfalls am 31. Januar 1994 und versicherte zugleich mit seiner eigenhändigen Unterschrift, dass die gemachten Angaben zutreffend seien. Die Beklagte gewährte ihm Alhi vom 16. Februar 1994 bis 13. August 1994 mit einem wöchentlichen Leistungssatz vom 218,40 DM nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 620,00 DM (Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0; Alhi-Bewilligungs-Verfügung vom 18. Februar 1994).
Mit einem Antrag vom 06. August 1994 begehrte der Kläger von der Beklagten die Fortzahlung der Alhi. Angaben zum Vermögen verneinte der Kläger in diesem Formular mit Ausnahme der Angaben zu “Bargeld, Bankguthaben„, bei denen er einen Betrag in Höhe von 2.700,00 DM benannte. Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin ab 15. August 1994 bis 31. Dezember 1994 Alhi mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 242,40 DM nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 710,00 DM und ab 02. Januar 1995 bis 12. August 1995 (Ende des Bewilligungszeitraums) mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 237,60 DM und weiterhin nach dem Bemessungsentgelt von 710,00 DM wöchentlich (Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0; Alhi-Bewilligungs-Verfügung vom 10. August 1994).
Der Kläger beantragte am 10. August 1995 wiederum die Fortzahlung der Alhi. In diesem Antragsformular gab er ein Bargeld- bzw. Bankguthaben in Höhe von 2.800,00 DM an und verneinte im Übrigen die Frage nach weiterem Vermögen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin die Fortzahlung von Alhi ab 14. August 1995. Der Kläger bezog Alhi mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 250,20 DM nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 760,00 DM im Zeitraum vom 14. August 1995 bis 14. Dezember 1995 (Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0; Alhi-Bewilligungs-Verfügung vom 24. August 1995).
Vom 15. Dezember 1995 bis zum 14. Dezember 1996 war der Kläger als Projektbearbeiter im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei der G mbH/B beschäftigt.
Vom 16. Dezember 1996 bis 14. Juni 1997 bezog der Kläger Alg für 156 Anspruchstage (“endgültiger„ Bewilligungsbescheid vom 12. Februar 1997). Bis zur Erschöpfung seines Alg...