Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Arzt. Werkvertrag für freiberufliche Honorartätigkeit mit für das Werkvertragsrecht untypischen Regelungsgegenständen. Patientenbetreuung und -versorgung im Rahmen von Ambulanzflügen. drittbezogener Personaleinsatz. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Enthält ein "Werkvertrag für freiberufliche Honorartätigkeit" für das Werkvertragsrecht untypische Regelungsgegenstände wie Arbeitsunterbrechung, Arbeitsleistung, Arbeitseinsatz, Arbeitsentgelt, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitsverhinderung und Arbeitsaufgaben, ist dies ein schwerwiegendes Indiz dafür, dass der Wille der Vertragsparteien auf eine Dienst- oder Arbeitsleistung gerichtet ist.
2. Zur Versicherungspflicht eines Arztes, der im Zusammenhang mit Ambulanzflügen Passagiere betreut und hierbei - von medizinischen Fragen abgesehen - weitgehend von organisatorischen und sonstigen Vorgaben seiner Auftraggeberin bzw deren Vertragspartnerin (einer Versicherungsgesellschaft) abhängig ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2017 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu zwei Drittel und die Beklagte zu einem Drittel. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 (im Folgenden: der Beigeladene) in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin vom 1. Juli 2013 bis zum 20. Juni 2015.
Die klagende GmbH betreibt ein Unternehmen, zu deren „Schwerpunktaufgaben“ - nach eigener Darstellung (www.B.de) - „der qualifizierte Krankentransport, medizinische Bereitstellungen, Verlegungen, Ambulanzflüge, Ein-sätze auf Flughäfen und Fernstreckeneinsätze“ zählen. 80 % ihrer ärztlichen Einsätze entfallen auf die Flugbegleitung, davon ca. 99 % auf Aufträge der A Versicherungs-AG (im Folgenden: AG). Mit dieser schloss die Klägerin einen Vertrag, in dem sie sich verpflichtete (§ 1 Abs. 1), für die weltweiten Krankenrücktransporte der AG mit Verkehrsflugzeugen die medizinische Versorgung der transportierten Patienten durch Ärzte sowie Rettungsassistenten zu koordinieren und durchzuführen. Nach § 3 dieses Vertrages (im Folgenden: AG-V) wird die Klägerin qualifiziertes Personal gemäß Anlage 1 einsetzen und für die Laufzeit des Vertrages vorhalten. Die gemäß Anlage 1 definierten Qualitätsstandards sind von ihr verbindlich einzuhalten. Die AG ist berechtigt, von ihr den Austausch des Personals aus wichtigem Grund (insbesondere bei Nichteinhaltung der Qualitätsstandards) nach Anlage 1 zu verlangen. In diesem Fall war die Klägerin verpflichtet, die betroffene Person unverzüglich nicht mehr einzusetzen. Ferner war sie für die Auswahl und den Einsatz des Personals sowie auch für die Beaufsichtigung, Steuerung, Kontrolle und Entlohnung verantwortlich. Die Qualitätsstandards nach Anlage 1 des AG-V sahen u.a. vor, dass das von der Klägerin zu stellende Personal während des Einsatzes als Vertreter der AG zu erkennen sein müsse und u.a. folgende Aufgaben habe:
- Visite und Übernahme des Patienten vor Ort und in Einzelfällen Begleitung bis ins Zielkrankenhaus,
- aktives Einladen des Patienten in das Flugzeug,
- Datenerhebung vor Ort, aktive und objektive Qualitätssicherung (Verlauf des Einsatzes auf von der AG zur Verfügung gestellten Formularen unter Angabe von medizinischen, organisatorischen und Patientendaten dokumentieren),
- Übergabe einer Durchschrift der Dokumentation an das aufnehmende Krankenhaus bzw. die Besatzung des Anschlusstransportes bzw. den Patienten zur Weitergabe an den behandelnden Arzt,
- auf Anforderung der AG Erstellung eines Kurzprofils der medizinischen Einrichtungen (Krankenhaus, Krankenwagen etc.) am Abholort der Patienten, sofern diese zu erheben sind (auf Wunsch der AG jederzeitiger Auftrag zur Datenerhebung möglich; Datenübermittlung an die AG innerhalb von 48 Stunden nach Einsatz).
Im Rahmen der Qualitätssicherung hatte die Klägerin sicherzustellen, dass das Begleitpersonal mindestens einmal im Jahr geschult wird, das Begleitpersonal im Hinblick auf medizinische, technische und operative Spezifikationen auf dem aktuellen Stand zu halten und die Schulungsinhalte im Vorfeld mit der AG abzustimmen. Auf Wunsch der Klägerin sollte die AG an den Schulungen teilnehmen und diese auch vor Ort durchführen.
Visa hatte die Klägerin auf Kosten der AG eigenständig zu beschaffen, erforderliche Hotelreservierungen nach einem vorgegebenen Hotelstandard zu buchen und das von ihr zu stellende Personal mit einem Mobiltelefon mit weltweiter Auslandsfreischaltung sowie einer gültigen Kreditkarte (Verfügungsrahmen 5.000.- €) auszustatten. Die AG sollte in der Regel die Buchung der Flugtickets übernehmen und der Klägerin die entsprechende Buchungsreferenz mitteilen. Außerdem sollte der ...