Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Gesamt-GdB von 50. Versorgungsmedizinische Grundsätze. psychogenes Fibromyalgie-Syndrom. analoge Anwendung der Grundsätze für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und psychische Traumen
Orientierungssatz
1. Zur Beurteilung der funktionellen Auswirkungen eines psychogenen Fibromyalgie-Syndroms, welches auf einer gestörten Schmerzverarbeitung beruht und mit vegetativen und psychischen Störungen einhergeht, sind die Versorgungsmedizinischen Grundsätze für die Beurteilung von psychovegetativen und psychischen Störungen (Teil B Nr 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV) analog heranzuziehen (so auch LSG Halle vom 14.10.2014 - L 7 SB 23/12).
2. Zur GdB-Feststellung im Hinblick auf weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, ua nach Teil B Nr 14.2 (Verlust der Gebärmutter).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2012 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Ausführungsbescheid vom 30. Januar 2013 wird abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für das Klageverfahren zur Hälfte zu erstatten. Für das Berufungsverfahren sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Die 1970 geborene Klägerin ist seit 2005 als Angestellte eines Jobcenters in B in der Arbeitsvermittlung beschäftigt. Sie beantragte am 19. Juni 2009 beim Beklagten die Feststellung eines GdB. Als Beschwerden gab sie Bewegungseinschränkungen, geschwollene Gelenke und Finger sowie Schlafstörungen an. Nach Auswertung ärztlicher Befunde stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Januar 2010 einen GdB der Klägerin von 30 fest. Als Funktionsbeeinträchtigung benannte er eine entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung (interner Einzel-GdB 20) und psychische Störungen (Neurosen), Schlafstörungen (interner Einzel-GdB 20). Eine darüber hinaus von der Klägerin geltend gemachte Psoriasis (Schuppenflechte) sah der Beklagte nicht als GdB-relevante Gesundheitsstörung an. Gegen die Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch und führte unter anderem aus, dass sie seit fünf Jahren an zermürbenden Schlafstörungen infolge von Schmerzen in sämtlichen Körperteilen leide. Nach körperlicher Untersuchung der Klägerin gelangte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie F in ihrem vom Beklagten veranlassten Gutachten vom 22. Mai 2010 zu der Auffassung, dass die psychische Störung mit einem höheren Einzel-GdB von 30 und die entzündlich-rheumatische Gelenkserkrankung weiterhin mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei. Zur Begründung führte sie aus, dass die Persönlichkeitsstörung umfangreicher und nicht nur vegetativer Art sei. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei wesentlich eingeschränkt, eine Änderung des Gesamt-GdB sei jedoch nicht eingetreten. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Anhebung des Einzel-GdB für die psychischen Störungen nicht zu einem höheren Gesamt-GdB führe. Eine Addition der Einzelbehinderungsgrade sei unzulässig, auch andere rechnerische Methoden dürften nicht angewendet werden.
Mit der am 30. November 2010 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass der Gesamt-GdB fehlerhaft gebildet worden sei und sie zusätzlich an einer Fibromyalgie leide, die nicht berücksichtigt worden sei.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie C hat neben einer rheumatoiden Arthritis eine depressive Anpassungsstörung sowie den Verdacht auf Fibromyalgie mitgeteilt, die Ärztin für Innere Medizin Dr. A hat über mittelgradige bis schwere Funktionseinbußen der betroffenen Gelenke aufgrund der Schmerzsymptomatik berichtet. Die Internistin und Rheumatologin Dr. M hat eine rheumatische Erkrankung ausgeschlossen und die Beschwerden dem Fibromyalgie-Syndrom zugeordnet. Wegen der Einzelheiten der Angaben wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Sodann hat das Sozialgericht Beweis durch Einholung eines Gutachtens auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet durch den Arzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. S erhoben. Der Sachverständige hat sein Gutachten nach körperlicher Untersuchung der Klägerin am 14. Oktober 2011 erstellt. Der Sachverständige ist zu der Einschätzung gelangt, dass bei der Klägerin eine Psoriasisarthropathie ohne Entzündungsaktivität (Einzel-GdB 10) und ein Fibromyalgie-Syndrom bei depressivem Syndrom (Einzel-GdB 30) vorlägen. Die geschilderten Beschwerden an Armen, Händen und Füßen seien bei gleichzeitig bestehender depressiver Verstimmung der Klägerin und der genannten Abgeschlagenheit als Fibromyalgie-Syndro...