Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Auslandsbeschäftigung. Versicherungspflichtverhältnis wegen Erziehung von Kindern. Unmittelbarkeit der Vorbeschäftigung. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in Großbritannien. gemeinsame Erziehung. Zuordnung der Kindererziehungszeiten. fehlende Grenzgängereigenschaft

 

Orientierungssatz

1. Unmittelbarkeit gem § 26 Abs 2a Nr 1 SGB 3 ist dann gegeben, wenn zwischen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Beginn der Kindererziehung nicht mehr als ein Monat liegt.

2. Eine Versicherungspflicht für den Vater gem § 26 Abs 2a S 3 SGB 3 iVm § 56 Abs 2 SGB 6 liegt nicht vor, wenn die Kinder gemeinsam erzogen werden und eine Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungszeiten nicht abgeben wurden. Es hat keine Bedeutung, ob und in welchem Umfang die Mutter der Kinder sich berufsbedingt an einem anderen Ort aufgehalten hat.

3. Es liegt keine unechte Grenzgängereigenschaft gem Art 71 Abs 1 Buchst b Ziff ii EWGV 1408/71 vor, wenn der Arbeitslose seine Bindung zum Inland nur dadurch aufrecht erhalten hat, dass er seinen Jahresurlaub in Deutschland verbracht hat, sich seine Lebenspartnerin und die gemeinsamen Kinder in erheblichem zeitlichem Umfang in Großbritannien aufgehalten haben, während er dort beschäftigt war, und er sich nach dem Ende des ersten Beschäftigungsverhältnisses zunächst weiter dem britischen Arbeitsmarkt zugewendet hatte.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Der Kläger ist 1977 geboren worden. Nach einem Studium, das er im Juni 2003 beendete, stand er vom 1. Januar bis zum 31. Oktober 2004 als Assistent der Geschäftsleitung bei der Firma B GmbH (O) in einem in der Arbeitsförderung versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Danach war er in Großbritannien beschäftigt, zunächst aufgrund eines am 1. November 2004 beginnenden und bis zum 31. Oktober 2006 befristeten Anstellungsvertrages, anschließend in weiteren Beschäftigungsverhältnissen; die zuständige britische Behörde bestätigte in einer Bescheinigung E 301 Versicherungszeiten durchgehend vom 4. November 2004 bis zum 4. Juli 2007.

Seit 16. August 2007 war er mit seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern in M (in der Wohnung der Eltern der Ehefrau), später B, mit Hauptwohnung gemeldet; bis dahin war er auch während der Zeit seines Aufenthalts in Großbritannien durchgehend mit Hauptwohnsitz in E in der Wohnung seiner Eltern gemeldet.

Vom 24. August bis zum 23. Oktober 2007 erhielt er Erziehungsgeld für seinen am 24. Oktober 2006 geborenen Sohn, mit dem er nach den Feststellungen des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt in dem Verwaltungsverfahren betreffend das Erziehungsgeld ab dem 16. August 2007 in einem gemeinsamen Haushalt lebte.

Bei der Beklagten meldete sich der Kläger am 8. Oktober 2007 zum 24. Oktober 2007 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Den Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 29. April 2008 mit der Begründung ab, dass der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe.

Zu seinem Widerspruch reichte der Kläger unter anderem eine Erklärung über seine Gründe für den Aufenthalt in Großbritannien, einen Fragebogen “Auslandsbeschäftigung„ der Beklagten (in dem er unter anderem angab, dass während seines Auslandsaufenthalts seine Familie ihren Hausstand in M bzw. E gehabt habe, er in dieser Zeit ca. sechs Mal jährlich nach Deutschland zurückgekehrt sei und seinen Jahresurlaub in Deutschland verbracht habe, er seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland und Großbritannien gleichermaßen gehabt und im Beschäftigungsland eine 2-Zimmer-Wohnung bewohnt habe - der sowohl von ihm als auch von seiner Lebensgefährtin abgeschlossene Mietvertrag vom 22. November 2004 war beigefügt -) und seinen vom 1. November 2004 bis zum 31. Oktober 2006 dauernden Anstellungsvertrag mit der L M University ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Versicherungszeiten in Großbritannien könnten nicht nach europarechtlichen Vorschriften zur Erfüllung der Anwartschaftszeit beitragen. Der Kläger habe zum einen nach diesen Versicherungszeiten keine Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt; die Zeit der Kindererziehung sei nicht versicherungspflichtig gewesen. Zum anderen könne er auch nicht als Grenzgänger angesehen werden. Nach seinen Erklärungen habe der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien gehabt.

Seine Klage hat der Kläger - der ab dem 18. August 2008 wieder in einem Arbeitsverhältnis in der Bundesrepublik Deutschland stand - damit begründet, dass sein Aufenthalt in Großbritannien nur vorübergehenden Charakter gehabt habe. Er habe dort seine Arbeit aufgrund eines von vornherein befris...

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