Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. Schutzimpfung gegen humane Papillomviren (HPV). Anti-Phospholipid-Syndrom. ursächlicher Zusammenhang. unübliche Impfreaktion. aktueller Stand der medizinischen Wissenschaft. ungeklärte Krankheitsursache. keine Daten zum Beleg der Kausalität. keine medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung. biologische Plausibilität nicht ausreichend. Erforderlichkeit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung
Orientierungssatz
1. Ein Anti-Phospholipid-Syndrom stellt ein über eine übliche Impfreaktion hinausgehendes Krankheitsbild dar.
2. Die dem Anti-Phospholipid-Syndrom zugrunde liegende Ursache ist nicht durch den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert.
3. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich keine Daten, die einen kausalen Zusammenhang zwischen einer HPV-Schutzimpfung und dem Anti-Phospholipid-Syndrom belegen.
4. Es existiert auch keine medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung, die sich für einen entsprechenden kausalen Zusammenhang ausspricht.
5. Eine biologische Plausibilität genügt nicht zur Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung die Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin wegen eines Impfschadens Anspruch auf Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Die 1989 geborene Klägerin erhielt zur Grundimmunisierung gegen humane Papillomviren (HPV) am 31. Mai 2007, am 26. Juli 2007 und am 19. November 2007 Teilimpfungen mit Gardasil (Ch.-B.: NE29660, NF 32800 und NF 58150). Hierbei handelte es sich um eine im Land Brandenburg empfohlene Schutzimpfung.
Während der ersten Teilimpfung erlitt die Klägerin eine kurze Synkope (Ohnmacht). Nach der zweiten Teilimpfung setzten bei der Klägerin eine verstärkte Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen an einem Auge ein, seit Dezember 2007 an beiden Augen. Im Januar 2008 erlitt die Klägerin einen starken Schwindelanfall mit Sehstörungen an beiden Augen.
Der Klägerin wurden am 5. Februar 2008 orale Kontrazeptiva verschrieben. Am 25. Februar 2008 wurde sie im Sportunterricht mit einem Medizinball am Brustkorb getroffen. Kurze Zeit später traten Schmerzen im Brustkorb und Atembeschwerden auf, die auch nach Behandlung durch einen Chiropraktiker so stark wurden, dass sich die Klägerin in der Notaufnahme vorstellte. Am 2. März 2008 bemerkte sie zum ersten Mal Muskelzuckungen des linken Zeigefingers und der linken Schulter, die sich nachfolgend verstärkten und ausbreiteten. Zudem stellte sich eine Sprachstörung ein. Es folgten mehrere stationäre Aufenthalte. Unter Behandlung mit Tiapridex besserten sich die Bewegungsstörungen langsam. Im vorläufigen Entlassungsbericht des Universitätsklinikums L vom 7. April 2008 wurde ein hypoton-hyperkinetisches Syndrom unklarer Genese diagnostiziert. Am 6. Mai 2008 erlebte die Klägerin für zwei Minuten einen kompletten Ausfall des rechten Sichtfeldes. Im Klinikum F wurde laut Entlassungsbrief vom 14. Mai 2008 eine Dissektion der Arteria carotis interna rechts (der inneren Halsschlagader) festgestellt. Nach einem Reha-Aufenthalt im Juni 2008 besserte sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin.
Sie beantragte bei dem Beklagten am 30. Oktober 2008 Versorgung wegen eines Impfschadens. Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des OMR Dr. B vom 24. Juni 2009 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. August 2009 den Antrag auf Versorgung ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Beklagte holte das nach Aktenlage erstellte Gutachten des Arztes für Mikrobiologie und Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Sch vom 18. Dezember 2009 ein, der darlegte, bei den Gesundheitsstörungen handele es sich um eine abgelaufene Chorea minor und um eine Dissektion der Arteria carotis interna , die wahrscheinlich nicht durch Impfung bedingt seien. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2010 zurück. Am 17. November 2010 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben.
Bei der Klägerin ist 2012 eine Analvenenthrombose festgestellt worden. Am 18. November 2013 hat sie einen ischämischen Hirninfarkt erlitten. In der Charité ist laut dem Arztbrief vom 29. November 2013 bei der Klägerin eine erworbene Thrombophilie (erhöhte Thromboseneigung) mit Anti-Phospholipid-Syndrom diagnostiziert worden.
Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte das Gutachten der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. P vom 8. August 2016 eingeholt. Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die zurückgebildeten Bewegungsstörungen, d...