Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung des Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers gegen den zuständigen Träger der Versorgungslast nach § 225 Abs 1 SGB 6
Orientierungssatz
1. Zur Verjährung des Erstattungsanspruchs des Rentenversicherungsträgers gegen den zuständigen Träger der Versorgungslast nach § 225 Abs 1 SGB 6.
2. Ein bloßes zeitnahes Unterlassen des Betreibens des Erstattungsverfahrens bewirkt nicht die Annahme einer Verwirkung des Erstattungsanspruchs.
3. Ein Vertrauen auf Beibehaltung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis verdient im Verhältnis zwischen Behörden regelmäßig keinen Vertrauensschutz (vgl BSG vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R = SozR 4-4200 § 24 Nr 5 RdNr 38).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2018 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte als Träger der Versorgungslast an die Klägerin als Träger der Rentenversicherung Aufwendungen aufgrund von Rentenzahlungen zu erstatten hat, die durch Entscheidung des Familiengerichts begründet worden sind.
Im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens übertrug das Amtsgericht (AG) S zu Gunsten der V S (Versicherte) im Wege des Versorgungsausgleichs aus der bei dem Beklagten bestehenden unverfallbaren Anwartschaft ihres Ehemannes R L W rechtskräftig Rentenanwartschaften iHv 1.393,15 DM bezogen auf den 31. August 1999. Die Versicherte bezieht hieraus seit 1. Januar 2001 Rentenleistungen der Klägerin.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 machte die Klägerin beim Beklagten die Erstattung von Aufwendungen für die Versicherte aus den übertragenen Anwartschaften für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2015 in einer Gesamthöhe von 120.736,07 € geltend; wegen der Einzelheiten wird auf die Anforderung Bezug genommen. Dieser lehnte die Zahlung für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2012 (89.016,34 €) ab und berief sich auf Verjährung.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat in der Folge der - auf § 225 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) gestützten Klage stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 89.016,34 € verurteilt (Urteil vom 28. August 2019). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Der Zahlungsanspruch der Klägerin folge aus § 225 Abs. 1 SGB VI und sei nach § 2 Abs. 4 der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung (VAErstV) vom 9. Oktober 2001 (BGBl I 2628) auch nicht verjährt. Nach § 2 Abs. 4 VAErstV verjähre der Erstattungsanspruch des Trägers der Rentenversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in der er fällig geworden sei. Fälligkeit trete nach § 2 Abs. 3 VAErstV aber erst sechs Monate nach Eingang der Erstattungsforderung beim zuständigen Träger der Versorgungslast ein, hier also im Jahr 2017. Dass die Klägerin entgegen der Soll-Vorschrift in § 2 Abs. 1 VAErstV den Anspruch erst nach der dort geregelten Frist geltend gemacht habe, sei unschädlich. Es liege entgegen der Auffassung des Beklagten insoweit angesichts des klaren Gesetzeswortlauts auch keine planwidrige Regelungslücke vor, die durch analoge Anwendung von § 113 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu schließen wäre. Die Voraussetzungen einer Verwirkung lägen ebenfalls nicht vor.
Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, weil der Verordnungsgeber ausweislich der Begründung (vgl BR-Drucks 646/01 S 8) in § 2 Abs. 4 VAErstV die Verjährungsregelung in § 113 SGB X in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (aF) habe nachbilden wollen. Es widerspräche im Übrigen den Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung in § 2 VAErstV, wenn der erstattungsberechtigte Träger den Verjährungsbeginn durch eine spätere Geltendmachung praktisch unbegrenzt hinausschieben könne. § 2 Abs. 4 VAErstV sei schließlich durch die Ermächtigungsgrundlage in § 226 SGB VI nicht gedeckt, weil dadurch ein eigenständiges Verjährungsregime eingeführt worden sei. Für die Lückenfüllung sei § 111 Satz 1 SGB X analog heranzuziehen, der auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs abstelle.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 89.016,34 € an die Klägerin verurteilt.
Die allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist zul...