Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Klage wegen fehlendem Vorverfahren. erstmalige Konkretisierung eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB 10 im Klageverfahren. Nichtbenennung konkreter Verwaltungsakte mit Datum. Nichtdarlegung der Rechtswidrigkeitsgründe. Arbeitslosengeld II. Kosten der Unterkunft und Heizung
Orientierungssatz
Wird ein gem § 40 Abs 1 S 1 SGB 2 (in der bis 31.3.2011 geltenden Fassung) iVm § 44 SGB 10 gestellter Antrag auf Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide (der letzten 4 Jahre) über die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB 2) trotz Aufforderung durch den Grundsicherungsträger nicht durch Bezeichnung der konkreten Verwaltungsakte und Unrichtigkeiten konkretisiert und daher ohne weitere Sachprüfung abgelehnt, so ist in der erstmaligen Konkretisierung des Überprüfungsantrages im Klageverfahren ein neuer Überprüfungsantrag zu sehen und die Klage mangels Vorverfahrens unzulässig.
Normenkette
SGB II § 40 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2010-08-03, S. 2 Fassung: 2011-03-24, § 1 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 1 S. 1, § 31 S. 1, § 41 Abs. 1 S. 4; SGB X § 20 Abs. 1 S. 1, § 39 Abs. 1 S. 1, § 44 Abs. 1 S. 1; SGB I § 2 Abs. 2, § 16 Abs. 1 S. 1, §§ 17, 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 65 Abs. 1; SGG §§ 77, 78 Abs. 1 S. 1, § 103 S. 1, § 106 Abs. 1, § 144 Abs. 1 S. 2, § 160 Abs. 2 Nr. 1; VwVfG § 51; BGB § 242
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. März 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Pflicht des Beklagten zur Überprüfung und Rücknahme aller Bescheide über die Gewährung, Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende seit Januar 2006 im Zugunstenverfahren.
Der 1973 geborene Kläger bezieht von dem Beklagten seit dem 01. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in Gestalt der Regelleistung und Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung.
Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2010 beantragte der anwaltlich vertretene Kläger “die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung seit dem 01. Januar 2006 auf ihre Rechtmäßigkeit„.
Der Beklagte bat den Kläger (am 29. Juli 2010) um eine detaillierte Aufstellung der entsprechenden Bescheide. Eine Prüfung der Bescheide in der Sache sei ansonsten nicht vorzunehmen. Unter Fristsetzung bis zum 15. August 2010 teilte er in dem Schreiben ergänzend mit, eine Überprüfung des Sachverhaltes werde ansonsten nicht erfolgen.
Mit Bescheid vom 16. August 2010 lehnte der Beklagte eine Prüfung der Bescheide in der Sache ab. Es sei durch den Kläger nichts vorgetragen worden, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen sprechen würde. Ein schlüssiger Vortrag diesbezüglich stelle jedoch die Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens dar. Ein Antrag ohne Darlegung etwaiger Anknüpfungspunkte sei als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme anzusehen. Der Beklagte müsse sich insoweit auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen und daher von einer Prüfung absehen dürfen.
Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Schreiben vom 23. August 2010 Widerspruch. Er begründete diesen nicht.
Der Widerspruchsbescheid (W ) vom 11. Oktober 2010 wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe - auch nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten - nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen des Beklagten sprechen könne. Es fehle zunächst an der Bezeichnung der Entscheidungen, die nach Auffassung des Klägers unrichtig bzw. rechtswidrig sein sollen. Ein schlüssiger Vortrag stelle jedoch eine Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens dar. Ein solcher Antrag, der ohne Darlegung etwaiger Anknüpfungspunkte gestellt werde, sei als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme zu sehen. Würden keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen, die für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnten, dürfe sich der Beklagte ohne weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der früheren Bescheide berufen.
Der Kläger hat am 27. Oktober 2010 Klage zum Sozialgericht Cottbus (SG) erhoben. Eines Antrags bedürfe es für die Einleitung eines Verfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht. Der Beklagte habe auf einen Antrag seiner Verpflichtung aus § 20 SGB X nachzukommen. Im Bewilligungsbescheid vom 23. November 2005 und Bescheid vom 12. Juni 2006, Bescheid vom 14. Dezember 2006, Bescheid vom 29. Mai 2007, Bescheid vom 26. November 2007, Bescheid vom 02. Juni 2008 und vom 24. November 2008 seien Kosten der Unterkunft und Heizung falsch ermittelt, der Beklagte habe den Abzug der Kosten für die Warmwasseraufbereitung falsch vorgenommen, darüber hinaus müsse im Monat August 2006 eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung iHv Euro berücksichtigt werden, gleiches gelte für die...