Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Teilweise Verrechnung einer Rentennachzahlung mit fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen der Krankenkasse. "rückwirkende Sozialhilfebedürftigkeit"

 

Orientierungssatz

1. Nach § 52 SGB I kann der für die Rentenzahlung zuständige Rentenversicherungsträger mit Ermächtigung der Krankenkasse deren unstreitige Beitragsforderung gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Die Aufrechnung des zuständigen Leistungsträgers mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem SGB gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen ist bis zu deren Hälfte zulässig, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den SGB II, XII wird.

2. Für bereits abgelaufene Rentenzahlungszeiträume, für die noch keine Rentenzahlung erfolgt ist - hier bei einer Verrechnung der Rentennachzahlung mit einer Forderung der Krankenkasse - kann Sozialhilfebedürftigkeit rückwirkend nicht mehr eintreten. Hat der Versicherte im Nachzahlungszeitraum seinen Lebensunterhalt bestritten, ohne laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB II, XII in Anspruch zu nehmen, so standen ihm tatsächlich ausreichende Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhalts zur Verfügung (Vergleiche LSG München, Urteil vom 21.09.2005 - L 13 R 4215/03).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Forderung einer Krankenkasse wegen nicht gezahlter Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu Recht mit einer aus der Gewährung von Altersrente folgenden Nachzahlung verrechnet hat.

Auf seinen Antrag hin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 20. Mai 2003 ab dem 1. November 2001 Regelaltersrente. Von der sich aus der rückwirkenden Bewilligung ergebenden Nachzahlung in Höhe von 21.203,52 Euro behielt sie einen Betrag in Höhe von 6.000 Euro zunächst ein, unter anderem, weil die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) sie unter dem 3. April 2002 zur Verrechnung einer Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. März bis zum 20. Juni 2001 in Höhe von damals 1.966,07 Euro ermächtigt hatte. Gegen den Rentenbescheid legte der Kläger Widerspruch ein, nahm diesen jedoch kurze Zeit später wieder zurück.

Nachdem die KKH unter dem 16. Juni 2003 die Forderung einschließlich Kosten und aufgelaufener Zinsen zum 31. Mai 2003 auf 2.202,29 Euro beziffert hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25. Juni 2003 mit, dass sie eine Verrechnung in Höhe dieses Betrages aus der einbehaltenen Rentennachzahlung vornehmen werde. Dabei führte sie unter anderem aus, dass bei einer Verrechnung mit einem Nachzahlungsbetrag nicht geprüft zu werden brauche, ob durch die Verrechnung Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt eintrete, da dies rückwirkend nicht der Fall sein könne.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 14. Juli 2003 Widerspruch ein und führte aus, er gehe davon aus, dass er die Forderung der KKH dem Grunde und der Höhe nach anzweifeln könne. Unbeschadet dessen prüfe er auch die Rechtmäßigkeit der Verrechnung.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit am selben Tag abgesandten Bescheid vom 20. Oktober 2003 zurück und führte zur Begründung aus, die KKH habe die Forderung auf Rückfrage be-stätigt und aktualisiert. Nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) könne der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig sei. Die Verrechnung stelle eine Aufrechnung unter Verzicht auf die Gegenseitigkeit von Schuldner und Gläubiger dar. Laufende Geldleistungen - zum Beispiel Rente - könnten nach § 51 Abs. 2 SGB I bis zur Hälfte verrechnet werden, soweit es sich bei den Ansprüchen gegen den Leistungsberechtigten um zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen oder Beitragsansprüche handele und aufgrund der Aufrechnung nicht Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt eintrete. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Da eine Verrechnung mit einer Rentenleistung für einen Nachzahlungszeitraum vorgenommen worden sei, habe die Hilfebedürftigkeit nicht geprüft werden müssen, weil sie nicht rückwirkend eintreten könne.

Daraufhin hat der Kläger am 23. November 2003 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat, das Ersuchen der KKH könne sachlich nicht gerechtfertigt sein, weil er seit längerer Zeit nicht mehr krankenversichert und mithin nicht beitragspflichtig sei. Im Übrigen beantrage er, die aufschiebende Wirkung der Klage...

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