Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründungszuschuss. 90-Tage-Regelung. Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung: Anspruch auf Gründungszuschuss. Zulässigkeit einer Fingierung der 90-Tage-Regelung durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Allein die zur Wahrung der 90-Tage-Frist aus § 57 SGB 3 im Rahmen der Beantragung eines Gründerzuschusses erfolgte rückwirkende Gewerbeanmeldung durch einen Arbeitssuchenden stellt keine Vorbereitungshandlung einer Existenzgründung für den vergangenen Zeitraum dar.

2. Erfüllt ein Arbeitssuchender nicht die für eine Bewilligung eines Gründerzuschusses erforderliche 90-Tage-Frist gemäß § 57 Abs. 2 S. 1 SGB 3, so kann diese Voraussetzung der Leistungsbewilligung auch nicht nachträglich auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geschaffen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Frist durch eine Falschberatung des Leistungsträgers versäumt wurde.

3. Einzelfall zur Frage des Vorliegens von unmittelbar auf den Erwerb gerichteten Handlungen im Rahmen des Beginns einer selbständigen Tätigkeit.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1952 in L (jetzt Polen) geborene Kläger übersiedelte nach dem Erwerb des polnischen Abiturs und “Elektrotechniker Diploms„ 1972 nach N. 1974 erwarb er das deutsche Abitur und studierte bis 1977 an der R-Universität B im Fach Elektrotechnik (ohne Abschluss). 1977 gründete er das Restaurant “K„ in B. Von 1978 bis 31. August 2006 war er als “Elektrotechniker/Electrical Engineer„ und als Qualitätsprüfer in B sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wobei er bereits ab 31. Januar 2006 aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung unwiderruflich freigestellt worden war. Mit durch Widerspruchsbescheid vom 12. September 2006 bestätigtem Bescheid der Beklagten vom 1. August 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. September 2006 für 360 Tage. Vom 17. Januar 2007 bis 9. Mai 2007 besuchte der Kläger regelmäßig den Kurs “Grundlagen der Betriebswirtschaft„ der Volkshochschule BM. Am 16. und 17. März 2007 absolvierte er ein Gründerseminar der Volkshochschule C. Vom 1. Februar 2007 bis 29. Juni 2007 nahm er an dem Modellprojekt “Marketing Assistenz polnischer Wirtschaftsraum„ des bbw Bildungswerk der Wirtschaft in Bund B e.V. (bbw) teil. Im März 2007 wurde dem Kläger Alg “bei Weiterbildung„ unter Angabe einer Anspruchsdauer von 210 Tagen bis 27. April 2007 und ab 28. April 2007 Alg “gem. § 117 SGB III„ für 167 Tagebewilligt.

Am 9. Juli 2007 bat der Kläger telefonisch bei der Beklagten um einen Termin für ein Gespräch über eine eventuelle Selbständigkeit. Am selben Tag teilte er telefonisch mit, dass er am 12. Juli 2007 einen Arzttermin habe und deshalb keine Termine beim Arbeitsvermittler wahrnehmen könne. Am 16. Juli 2007 bat der Kläger erneut bei der Beklagten um ein persönliches Gespräch. Laut einem Vermerk der Arbeitsvermittlerin Gr (G) der Beklagten vom 25. Juli 2007 beschwerte sich der Kläger an diesem Tag bei seiner persönlichen Vorsprache darüber, dass er nicht eher einen Termin bekommen habe. Er wolle sich selbständig machen mit einem Weinhandel und Verkauf von Motorrädern. Auf die Frage nach Förderung sei dem Kläger erläutert worden, dass für einen Gründungszuschuss (GZ) ein dreimonatiger Restanspruch auf Alg erkennbar sein müsse. Der Kläger werde mit dem Gewerbeamt klären, ob eine rückwirkende Gewerbeanmeldung möglich sei. Am 30. Juli 2007 legte der Kläger der Beklagten eine den Beginn einer selbständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für Wein und Säfte am 12. Juli 2007 ausweisende Gewerbeanmeldung beim Bezirksamt C von B vom 30. Juli 2007 vor. Die Arbeitsvermittlerin G händigte dem Kläger sodann Antragsformulare für einen GZ und ein “Coaching„ sowie einen Bildungsgutschein für ein Existenzgründungsseminar aus. Mit zwei Bescheiden vom 2. August 2007 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 12. Juli 2007 mit der Begründung auf, der Kläger habe sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet, und forderte den Kläger zur Erstattung des vom 12. Juli 2007 bis 31. Juli 2007 gezahlten Alg in Höhe von 1.133,92 € auf. Die für diesen Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 276,17 € bzw. 30,69 € wurden mit Bescheid(en) vom 21. August 2007 zurückgefordert. Vom 27. August 2007 bis 7. September 2007 nahm der Kläger erfolgreich an einem Existenzgründerseminar der A S A in B teil.

Mit dem am 13. September 2007 bei der Beklagten eingegangenen Antrag beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines GZ für eine Tätigkeit als Handelsvertreter in B. Auf dem Antragsformular bescheinigte die Arbeitsvermittlerin G als Tag der Antragstellung den 12. Juli 2007 sowie “Alg-Bezug bis 14.10.07„. Der Kläger gab an, er “werde„ am 12. Juli 2007 d...

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