Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelverzeichnis. Streit über Aufnahme von Spezialhausschuhen für Diabetiker. Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch CE-Kennzeichnung. Beweiserleichterung nach § 139 Abs 5 SGB 5. Zweifel an der Konformitätserklärung. Heranziehen von Nachweisen. Abgleich des Konformitätsverfahrens mit der Konformitätsbewertung des Herstellers. formale Rechtmäßigkeitserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 139 Abs 5 SGB V bewirkt eine Beweiserleichterung zur Straffung des Verfahrens.

2. Die Überprüfung der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung durch den Spitzenverband Bund hat sich nicht nur darauf zu beschränken, ob die CE-Kennzeichnung vorliegt. Sie darf die Nachweise, die in einer technischen Dokumentation iS des Anhangs VII der Richtlinie 93/42 EWG (juris: EWGRL 42/93) zu führen sind, heranziehen, wenn die Konformitätserklärung(en) Zweifel erwecken.

3. Zur formalen Rechtmäßigkeitserklärung gehört, dass sich die Konformitätserklärung dem Medizinprodukt eindeutig zuordnen lässt.

 

Orientierungssatz

Zum Streit über die Aufnahme von Spezialhausschuhen für Diabetiker in das Hilfsmittelverzeichnis.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.01.2021; Aktenzeichen B 3 KR 10/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufnahme eines speziellen Hausschuhs für Diabetiker/Diabetikerinnen in das Hilfsmittelverzeichnis.

Die Klägerin stellt u.a. konfektionierte spezielle Schuhe für Diabetiker und Diabetikerinnen unter dem Markennamen LucRo® her. Die Schuhe sollen aufgrund der besonderen Form und Ausstattung sowie Verwendung eines atmungsaktiven Innenfutters aus Alcantara (Microfaser) Fuß-, insbesondere Druckverletzungen (Ulcera) vorbeugen, die bei an Diabetes erkrankten Menschen im Rahmen des diabetischen Fußsyndroms auftreten.

Nachdem zunächst der Antrag auf Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis aus dem Jahr 2002 für die LucRo® Spezialschuhe für Diabetiker abgelehnt worden war, war die dagegen erhobene Klage zum Sozialgericht Düsseldorf für die Klägerin erfolgreich (S 8 KR 302/04, Urteil vom 07. Dezember 2006). Das Sozialgericht begründete seine Auffassung u.a. unter Berufung auf die Ergebnisse einer von der Klägerin vorgelegten Klinischen (Kohorten-)Studie der Nutzung von LucRo®-Schuhen von Klaus B und Prof. Dr. med. E. C, Diabetes-Fußambulanz MNR-Klinik, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, an welcher 92 diabetische Hochrisiko-Patienten der Fußambulanz teilgenommen hatten. Die dabei untersuchten diabetischen Spezialschuhe (DSS) LucRo® waren mit einer starren Laufsohle mit einer Ballenrolle ausgestattet und enthielten eine konfektionierte, stoßdämpfende Einlage; der Schaft bestand aus weichem Leder und enthielt keine Zehenkappen.

Im Rahmen der gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegten Berufung holte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) am 02. Februar 2008 ein fachmedizinisches Gutachten ein. Aufgrund eines am 12. Juni 2008 vor dem LSG NRW geschlossenen Vergleichs ist der LucRo® Schuh Classic mit der Produktnummer 31.03.08.0001 unter der Gruppennummer 31 in der Untergruppe „Spezialschuhe bei diabetischem Fußsyndrom“ im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Daneben ist das Modell LucRo® KINETIC eine schlanker geschnittene Alternative zum Modell Classic (Hilfsmittelverzeichnis-Nr.: 31.03.08.0008), sowie unter der Produktnummer 31.03.08.0024 das Modell LucRo® ergonic (Schutzschuhe für Diabetiker) gelistet. Letztere werden ohne Sohlenversteifung ausgeliefert. In dieser Auslieferung sind sie nicht für Diabetiker geeignet. Bei Verwendung als Diabetesschutzschuh, muss nach den Bestimmungen des Hilfsmittelverzeichnisses nachträglich ein Versteifungselement verklebt werden (Produktinformation des Hilfsmittelverzeichnisses zu LucRo® ergonic).

Unter Bezugnahme auf die bereits erfolgte Eintragung der Spezialschuhe LucRo® [in der Straßenvariante (Classic)] sowie unter Übersendung einer Konstruktionsbeschreibung, wonach Hausschuhe u.a. nahtfreies Innenfutter hätten (Fragebogen unter Ziff. 5.1.), beantragte die Klägerin bei dem Beklagten am 13. Juli 2011 die Eintragung der Spezial-Hausschuhe für Diabetiker unter den Artikelnummern Männer: 21389, 21399, Frauen: 22389, 22384, 22399 und 22394 in das Hilfsmittelverzeichnis, konkret die Produktgruppe 31. Die Konstruktion der Leisten sowie die technischen Eigenschaften seien (im Vergleich zu den Straßenschuhen) unverändert, lediglich die Laufsohle und die Obermaterialien seien marginalen Änderungen unterzogen worden. Auf die Einreichung einer klinischen Studie werde (daher) verzichtet. Die Klägerin übersandte bezüglich der Biokompatibilität des Mikrofasergewebes des Schuhs eine Konformitätserklärung vom 05. Juni 2009 für „Futterstoff für LucRo-Schuhe“, wonach die Zytotoxität gemäß DIN EN ISO 10993-5 untersucht worden sei sowi...

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