Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkenntnisurteil. Gesundheitsstörung ohne Funktionseinschränkung. MdE. Berücksichtigung von anerkannten Erfahrungssätzen bei der Bemessung der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit. Anerkenntnisurteil bei Fehlen einer Stellungnahme des Klägers. Gesetzliche Unfallversicherung. Verletztenrente. MdE-Bewertung. allgemeiner Erfahrungssatz. Richtwert. Rechtscharakter. Kniegelenksverletzung. Malermeister

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Einschätzung der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit sind die Erfahrungssätze zu beachten, die Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeitet haben.

2. Ein Anerkenntnisurteil hat im sozialgerichtlichen Verfahren auch zu ergehen, wenn der Kläger zu einem Anerkenntnis nicht Stellung nimmt.

 

Orientierungssatz

1. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt. Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (Vergleiche BSG, Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 24/00 R = SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).

2. In der gesetzlichen Unfallversicherung haben sich für die Schätzung der MdE in Form von Rententabellen oder Empfehlungen im Laufe der Zeit Erfahrungswerte herausgebildet. Zwar sind diese Erfahrungswerte für das Gericht im Einzelfall nicht bindend. Sie bilden jedoch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (Vergleiche BSG, Urteil vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 = SozR 2200 § 581 Nr. 23).

3. § 101 Abs. 2 SGG enthält keine abschließende Spezialregelung für das Anerkenntnis im Sozialgerichtsprozess, sondern ermöglicht, das Gerichtsverfahren ohne Urteil zu beenden, wenn der geltend gemachte Anspruch ganz oder zum Teil anerkannt und das Anerkenntnis angenommen wird. Kommt es nicht zur Annahme des (Teil-)Anerkenntnisses, ist die Verurteilung nach dem gemäß § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren § 307 Abs. 1 der ZPO geboten, ohne dass es der Prüfung des Klageanspruches bedarf (Vergleiche BSG, Urteil vom 12. Juli 1988 - 4/11a RA 16/87).

 

Normenkette

SGB VII § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; ZPO § 307 Abs. 1; SGG § 202

 

Tenor

Die Beklagte wird ihren Anerkenntnissen entsprechend verurteilt bei dem Kläger eine posttraumatische Femoropatellagelenkarthrose sowie eine umschriebene Hypästhesie im Ausbreitungsgebiet des Nervus genu inferior rechts ohne Funktionseinschränkungen anzuerkennen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Januar 2007 zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente unter Anerkennung weiterer und Höherbewertung der bereits als Folgen seines Arbeitsunfalls vom 28. Oktober 2001 anerkannten Unfallfolgen.

Der 1966 geborene Kläger ist selbstständiger Malermeister. Am 28. Oktober 2001 verletzte sich der Kläger beim Treppensteigen am rechten Knie.

Laut Durchgangsarztbericht des Arztes für Unfallchirurgie Prof. Dr. R vom 6. November 2001wurde die Behandlung des Klägers am 29. Oktober 2001 um 10:15 Uhr aufgenommen. Prof. Dr. R stellte die Diagnose einer Kniebinnenverletzung rechts. Als Befund nahm er eine leichte Schwellung des rechten Kniegelenkes, eine verstrichene Kontur sowie einen mäßigen Erguss im oberen Recessus auf und führte weiter aus, bei eingeschränkter klinischer Beurteilbarkeit seien die Kreuzbänder und Seitenbänder stabil. Das Meniskuszeichen sei positiv. Es liege keine knöcherne Beteiligung vor. Die Durchblutung und die peripheren Nerven seien intakt.

Nach Auswertung von Zwischenberichten der den Kläger behandelnden Ärzten gewährte die Beklagte dem Kläger bis 2. August 2002 sowie vom 14. August 2002 bis einschließlich 20. September 2002 Verletztengeld wegen der Folgen des Versicherungsfalls.

Nach Auswertung weiterer Behandlungsunterlagenveranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. E. Dieser führte in seinem Gutachten vom 1. Juli 2003 unter anderem aus, als Unfallfolgen lägen eine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit einer Streckhemmung von 15° im Vergleich zur Gegenseite, eine posttraumatische Gonarthrose rechts, eine Weichteilschwellung im Bereich des rechten Kniegelenkes, eine Muskelminderung im Bereich des rechten Ober- und Unterschenkels, reizlose Operationsnarben am rechten Kniegelenk sowie ein dezent rechtshinkendes Gangbild vor. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er für die Zeit vom 3. August 2002 (Tag der Arbeitsfähigkeit) bis zum Ablauf des 3. Jahres nach dem Unfall mit 20 v.H. ei...

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