Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeut. Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung
Orientierungssatz
1. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragspsychotherapeutischen Versorgung notwendig ist. Davon ist auszugehen, wenn aufgrund der Pflichtverletzungen das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsverhaltens des Vertragspsychotherapeuten so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragspsychotherapeuten nicht mehr zugemutet werden kann (vgl BSG vom 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R = BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, st Rspr). Nach diesen Maßstäben können wiederholt unkorrekte Abrechnungen gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung eine Zulassungsentziehung rechtfertigen.
2. In dem vollständigen Verzicht auf jegliche schriftliche Dokumentation der Patientenbehandlungen kann eine schwerwiegende Pflichtverletzung liegen, weil eine rein elektronische Dokumentation, auch wenn sie für sich genommen fehlerfrei erfolgt sein sollte, in hohem Maße fehleranfällig ist und in den Fällen späteren technischen Versagens eine nachträgliche Überprüfung des vertragspsychotherapeutischen Behandlungs- und Abrechnungsverhaltens erheblich erschweren oder gar gänzlich unmöglich machen kann.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 6), die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als psychologischer Psychotherapeut.
Der Kläger, geboren im Jahre 1950, ist seit dem Jahre 1980 Diplompsychologe und nahm seit dem Jahre 1991 als Psychotherapeut für Verhaltenstherapie am Delegationsverfahren teil. Seit dem Jahre 1999 besitzt er die Approbation als psychologischer Psychotherapeut sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. In der Zeit vom 01. April 1999 bis zum 31. Oktober 2000 war er im Bezirk der Beigeladenen zu 1) zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. In der Zeit vom 01. November 2000 bis zum 30. September 2001 bestand eine Zulassung im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern. Der Kläger betrieb jedenfalls während dieses Zeitraums eine Praxis in S auf der Insel Rügen. Jedenfalls ab dem 01. Oktober 2001 war er wieder im Bezirk der Beigeladenen zu 1) - Verwaltungsbezirk Neukölln - zugelassen.
Im März 2003 erhielt der Zulassungsausschuss für Ärzte im Bezirk der Beigeladenen zu 1) Kenntnis davon, dass der Kläger möglicherweise eine Zweitpraxis auf der Insel Rügen weiter betrieben habe, während seine vertragsärztliche Zulassung im Bezirk der Beigeladenen zu 1) schon bestand. Insbesondere entstand der Verdacht, der Kläger habe zahlreiche Patienten mit Wohnsitz auf Rügen auch dort behandelt. Außerdem hielt der Zulassungsausschuss die Abrechnung des Klägers wegen der teilweise sehr hohen täglichen Behandlungsstundenzahl für implausibel. Aus diesem Grunde gab der Zulassungsausschuss dem Kläger in seiner Sitzung vom 18. Juni 2003 auf, sechs genau formulierte Fragen zu beantworten. Diese Fragen lauteten wie folgt:
1. An welchen Wochentagen hat Herr L Patienten mit Wohnsitz auf Rügen und an welchen Wochentagen Patienten mit Berliner Wohnsitz behandelt?
2. Wie viele Patienten hat er seit dem 01.10.2001 auf Rügen behandelt? Um Angabe der Patienten-Chiffre, Krankenkassen und des Behandlungszeitraumes wird gebeten.
3. In welchem Umfang und wo wurden Behandlungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung - insbesondere bei Privatpatienten - erbracht?
4. Wie viele Behandlungen wurden seit dem 01.10.2001 im Rahmen des KJHG erbracht? Wo wurden diese Behandlungen erbracht?
5. Welche Honorartätigkeiten, Nebentätigkeiten und ehrenamtliche Tätigkeiten wurden von Herrn L seit dem 01.10.2001 ausgeübt? Bitte um Angabe des Umfangs z. B. in Stunden pro Woche oder Monat sowie des Ortes.
6. Wo und wann wurden die Leistungen für Patienten mit Berliner Wohnsitz erbracht, die Herr L an Tagen abgerechnet hat, an denen er auch einen Patienten auf Rügen behandelte? Wo fand die von ihm an diesen Tagen abgerechnete Behandlung von Patienten mit Wohnsitz auf Rügen statt?
Mit Schreiben vom 17. Juli 2003 antwortete der Kläger auf die gestellten Fragen wie folgt:
1. “Seit meinem Umzug nach Berlin ist mein hauptsächlicher Lebensschwerpunkt Berlin/Brandenburg.
2. Alle Berliner Patienten wurden von mir in der P Straße behandelt. An verschiedenen Tagen habe ich zwischen 15-17,5 Stunden gearbeitet. Was für mich nicht ungewöhnlich war, weil ich dieses bereits im Delegationsverfahren damit begonnen hatte.
3. Den Absturz und meine eigen...