Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrechtlicher Status eines Familienhelfers
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
2. Leistungen der Familienhilfe können aus leistungsrechtlicher Sicht sowohl durch abhängig Beschäftigte als auch durch selbständige Träger erbracht werden. Typisch für die Tätigkeit eines Familienhelfers ist, dass er seine Tätigkeit mit dem zu betreuenden Kind oder Jugendlichen und in dessen Wohnumfeld erbringt, dabei alleine arbeitet und nicht in einen betrieblichen arbeitsteiligen Prozess eingebunden ist.
3. Nicht der Rahmen einer bestehenden betrieblichen Organisation, sondern die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen des konkret und einzeln handelnden Familienhelfers sind prägend für die Ausgestaltung der Tätigkeit.
4. Übt der Familienhelfer seine Tätigkeit auf der Grundlage eines Vertrags über freie Mitarbeit aus, ist er an ein Weisungsrecht des Jugendamtes oder des Hilfeberechtigten nicht gebunden, existieren keine Vorgaben hinsichtlich des Ortes, der Zeit oder der Dauer noch des Inhalts der Tätigkeit, sondern kann er selbständig die Art und Weise sowie die inhaltliche Ausgestaltung seiner Betreuung und Förderung des betreffenden Kindes festlegen, so ist nicht von einer abhängigen Beschäftigung, sondern von selbständiger Tätigkeit auszugehen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4), die diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) während seiner Tätigkeit für die Klägerin.
Die Klägerin wird von verschiedenen Bezirksämtern des Landes Berlin damit beauftragt, ambulante Leistungen der Jugendhilfe zu erbringen.
Am 5. November 2008 schloss sie mit dem Beigeladenen zu 1) einen Vertrag über “freie Mitarbeit„, wonach der Beigeladene zu 1) für sie als freier Mitarbeiter auf den Gebiet der ambulanten Hilfe zur Erziehung sowie der ambulanten Eingliederungshilfe als Honorarkraft tätig werden sollte. Er sollte in der Bestimmung des Dienstortes und der Dienstzeit frei sein, aber berechtigt sein, die Räumlichkeiten der Klägerin nach Absprache zu nutzen. Die im Hilfeplan festgelegten Stunden seien die Obergrenze für eine mögliche Vergütung. Das Stundenhonorar sollte 19,60 € pro Stunde betragen, auf die Vergütung eventuell entfallende Steuern und Beiträge sollte der Beigeladene zu 1) selbst abführen. Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wurden ausdrücklich ausgeschlossen. Bei Ausfall sollte der Beigeladene zu 1) keine Vergütung erhalten aber berechtigt sein, in Absprache mit der Klägerin eine Vertretungskraft zu entsenden. Als Laufzeit des Vertrages war der Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 30. April 2009 vereinbart, eine ordentliche Kündigung sollte mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats möglich sein.
Am 2. Dezember 2008 übersandten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Beide erklärten, die Feststellung zu beantragen, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Der Beigeladene zu 1) gab an, das er neben der Klägerin noch andere Auftraggeber habe, nämlich das L-W-Haus, die Hochschule O, diverse andere Bildungsträger und die V G Filmproduktion. Er betreibe ein Reisegewerbe mit dem Verkauf von veganem Essen. Eigenkapital setze er in der Form von Fahrt- und Telefonkosten sowie Büromaterial ein. Nach Auswertung des übersandten Vertrages und der von dem Beigeladenen zu 1) zur Ausgestaltung seines Dienstverhältnisses gemachten Angaben hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 27. April 2009 dazu an, dass sie beabsichtige, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen.
Durch an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) gerichteten Bescheid vom 25. Mai 2009 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 1. November 2008 eine Tätigkeit als Familien- / Einzelfallhelfer bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spreche, dass die Klägerin Teamsitzungen und Supervisionen vorgebe. Die im Hilfeplan festgelegten Stundenzahlen seien einzuhalten. Ort und Zeit der Arbeitsleistung würden durch die Klägerin vorgegeben, der Beigeladene zu 1) setze kein...