Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss für dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB 2. Leistungsausschluss gemäß § 23 Abs 3 S 1 SGB 12 aF. Vereinbarkeit mit dem EuFürsAbk. Verfassungsmäßigkeit. Zumutbarkeit einer Rückkehr ins Heimatland
Leitsatz (amtlich)
1. Ein unstreitig Erwerbsfähiger ist von Sozialleistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen.
2. EU-Ausländerinnen/EU-Ausländer, die erwerbsfähig sind, haben keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII iVm dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA - juris: EuFürsAbk), da dieses nicht einen Anspruch auf Sozialleistungen, sondern einen Anspruch auf Gleichbehandlung regelt. Deutsche Erwerbsfähige haben keinen Anspruch nach dem SGB XII.
3. Einem EU-Ausländer/einer EU-Ausländerin, der/die sich für den Aufenthalt lediglich auf ein Recht zur Arbeitssuche berufen kann, welches gerade keine Sozialleistungen zur Folge hat, ist es auch unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde nach Art 1 Abs 1 Grundgesetz zumutbar, auszureisen.
4. Der Schutz der Menschenwürde kann nicht dahin verstanden werden, dass es einem EU-Ausländer/einer EU-Ausländerin freisteht, den Aufenthaltsstaat frei zu wählen, mit der Folge, dass dieser Staat den Aufenthalt über Sozialleistungen zu alimentieren hat.
5. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BVerwG (vgl BVerwG vom 26.9.1991 - 5 C 61/88 = BVerwGE 89, 87 = Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 13 = juris RdNr 15), nach der es sozialhilferechtlich unbedenklich ist, einen nicht zur Ausreise gezwungenen Ausländer durch die Einschränkungen von Sozialleistungen zur Ausreise zu bewegen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2014 aufgehoben und die Klage gegen den Beklagten abgewiesen. Die in der Berufungsinstanz angefallene Klage gegen den Beigeladenen wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, ein Unionsbürger, begehrt vom Beklagten existenzsichernde Leistungen für die Zeit vom 1. September 2013 bis zum 21. März 2014.
Der 1978 geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger und meldete sich am 8. November 2011 in B an. Ausweislich der Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) hielt er sich seit dem 22. Januar 2011 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Eine Erwerbstätigkeit übte er nicht aus. In der Zeit vom 10. Juni bis zum 27. September 2013 besuchte er einen Kurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt mit insgesamt 450 Unterrichtsstunden. Zu einer Beschäftigungsaufnahme in Deutschland kam es auch danach trotz zahlreicher Bewerbungen des Klägers, der kein Deutsch sprach, im hier fraglichen Zeitraum nicht.
Am 27. September 2013 stellte der Kläger einen Leistungsantrag beim Beklagten, der mit Bescheid vom 30. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2013 abgelehnt wurde, weil der Kläger gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei und sich aufgrund des von Deutschland erklärten Vorbehalts auch nicht auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) berufen könne.
Am 22. März 2014 verzog der Kläger zur Beschäftigungsaufnahme nach Schweden. Nach Kündigung seines Arbeitsverhältnisses dort zog er zurück nach Spanien und bezog dort für die Zeit ab 11. September 2014 Arbeitslosengeld I vom spanischen Sozialversicherungsträger.
Am 6. Dezember 2013 hatte der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und sein Begehren nach Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) weiter verfolgt.
Das SG hat den Beklagten durch Urteil vom 8. Mai 2014 verurteilt, dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 1. September bis zum 31. Oktober 2013 sowie für Dezember 2013 in Höhe von 682,00 Euro monatlich, für November 2013 in Höhe von 850,00 Euro, für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Februar 2014 in Höhe von 691,00 Euro monatlich sowie für die Zeit vom 1. bis zum 21. März 2014 in Höhe von 483,70 Euro zu gewähren. Es hat die Auffassung vertreten, dass ein Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht europarechtskonform sei. Der Kläger sei auch hilfebedürftig und könne seinen Unterhalt nicht aus eigenem Vermögen oder Einkommen bestreiten. Er habe im streitbefangenen Zeitraum einen Bedarf in Höhe der Regelleistung von 382,00 Euro monatlich bis Dezember 2013 bzw. 391,00 Euro ab Januar 2014 sowie Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 300,00 Euro monatlich. Zusätzlich seien ihm im November 2013 Kosten für die Heizung in Höhe von 168,00 Euro entstanden. Dem Bedarf des Klägers habe kein Einkommen oder berücksichtigungsfähiges Vermögen gegenübergestanden.
Gegen das dem Beklagten am 13. Mai 2014 zugestellte Urteil hat dieser am 2...