Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Voraussetzungen der Bewilligung bzw Weiterbewilligung von Einstiegsgeld. Verlängerungsantrag. Ermessensfehler
Orientierungssatz
1. Ob die Tatbestandsvoraussetzungen gem § 16b iVm § 16c SGB 2 aF für die Gewährung von Einstiegsgeld vorliegen ist zum Zeitpunkt der erstmaligen Bewilligung zu prüfen, dh auch die Prognoseentscheidung des Grundsicherungsträgers bezieht sich auf diesen Zeitpunkt. Hat der Grundsicherungsträger zu diesem Zeitpunkt unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens rechtmäßig das Vorliegen aller Voraussetzungen bejaht, prognostisch die Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit anerkannt und Einstiegsgeld für vorerst sechs Monate bewilligt, so hat er auch über einen Verlängerungsantrag unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden.
2. Liegt bei der Entscheidung über den Verlängerungsantrag Ermessensnichtgebrauch vor, so ist die Ablehnung der Weitergewährung des Einstiegsgeldes wegen Verletzung des § 39 SGB 1 rechtswidrig.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. April 2016 geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2013 verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 14. Dezember 2010 auf Verlängerung des Einstiegsgeldes für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 5. Oktober 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Gewährung von Einstiegsgeld in Höhe von 258,40 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 5. Oktober 2011, hilfsweise Neubescheidung des darauf gerichteten Antrages.
Der im Juni 1966 geborene Kläger bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zusammen mit vier weiteren Personen seiner Bedarfsgemeinschaft ununterbrochen u. a. ab 1. Januar 2009 (Bescheid vom 7. Januar 2009). Mit Bescheid vom 24. Juni 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Oktober 2009 waren diese Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. August 2009 in Höhe von 800,96 Euro monatlich und für die Zeit vom 1. September 2009 bis 31. Dezember 2009 in Höhe von 808,96 Euro (dabei für den Kläger 103,35 Euro bzw. 103,70 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 131,46 Euro bzw. 133,06 Euro für Unterkunft und Heizung) und mit Bescheid vom 13. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. März 2010 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 28. Februar 2010 in Höhe von 551,09 Euro monatlich, für die Zeit vom 1. März 2010 bis 14. März 2010 in Höhe von 257,19 Euro, für die Zeit vom 15. März 2010 bis 31. März 2010 in Höhe von 358,85 Euro und für die Zeit vom 1. April 2010 bis 30. Juni 2010 in Höhe von 672,84 Euro monatlich (dabei für den Kläger 46,68 Euro, 21,78 Euro, 26,54 Euro bzw. 49,62 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts, 133,06 Euro, 62,10 Euro, 89,32 Euro bzw. 167,51 Euro für Unterkunft und Heizung) vorläufig weitergewährt worden.
Der Kläger war bisher als Gas-Wasser-Installateur (1989 bis 1991, 1992 bis 1993), Elektriker (1994 bis 1995), Bautischler (1995 bis 1997) und selbständig im Trockenbau und in der Bauelemente-Montage (1997 bis 1998) tätig. Seine letzte selbständige Tätigkeit im Bereich Tischlerei, Trockenbau, Tür- und Fenstermontage und Küchenbau (1999 bis 2004) war von ihm wegen schlechter Auslastung des Betriebes und wegen säumiger Kunden aufgegeben worden.
Zum 6. Oktober 2009 meldete der Kläger ein Gewerbe mit den Tätigkeiten Handwerk, Lieferung und Montage von fertigen Bauelementen, Trockenbau sowie Holz- und Bautenschutz an.
Auf seinen am 15. Juli 2009 gestellten Antrag auf Gewährung eines Einstiegsgeldes, dem u. a. ein Geschäftskonzept/Businessplan und eine Gewinnvorschau für die Zeit vom 15. September 2009 bis 31. Dezember 2011 beigefügt waren, hatte der Beklagte aufgrund der Stellungnahme seiner Integrationsfachkraft vom 22. Oktober 2009 dem Kläger mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 Einstiegsgeld für die Zeit vom 6. Oktober 2009 bis 5. April 2010 von 290,70 Euro monatlich bewilligt.
Auf seinen im Mai 2009 gestellten Antrag auf Weitergewährung eines Einstiegsgeldes, dem eine Erklärung zum Einkommen aus Gewerbebetrieb (Anlage EKS) für die Zeit von Oktober 2009 bis September 2010 beigefügt war, hatte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 20. Mai 2010 Einstiegsgeld für die Zeit vom 6. April 2010 bis 5. Oktober 2010 von 258,40 Euro monatlich bewilligt.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 an die Entscheidung des Antrages auf Verlängerung des Einstiegsgeldes vom 1. Oktober 2010 erinnert und zugleich einen fortbestehenden Anspruch auf Gewährung von Einstiegsgeld geltend gemacht hatte, konnte der Beklagte nach Sichtung der Akte und der Daten in VerBIS k...