Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Zweipersonenhaushalt in Berlin. Angemessenheitsprüfung. kein schlüssiges Konzept für 2013. Erkenntnisausfall. Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG plus Sicherheitszuschlag. angemessene Heizkosten bei zentraler Warmwassererzeugung. Anforderungen an die Kostensenkungsaufforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bestimmung grundsicherungsrechtlich angemessener Kosten der Unterkunft in Berlin lag für das Jahr 2013 kein schlüssiges Konzept zugrunde.
2. Die Grundlagendaten des Berliner Mietspiegels 2011 können für die Bestimmung eines Grenzwertes grundsicherungsrechtlich angemessener Kosten der Unterkunft für das Jahr 2013 nicht herangezogen werden (Anschluss an Senatsurteil vom 31.1.2018 - L 32 AS 1223/15).
3. Tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft sind in vollem Umfang übernahmefähig, wenn sie die Höchstbeträge nach § 12 Abs 1 WoGG zuzüglich eines "Sicherheitszuschlags" von 10 % nicht überschreiten. Im konkreten Fall konnte deshalb offen bleiben, ob bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit wegen dessen normativer Vorprägung die gesetzgeberischen Entscheidungen zur Sicherung angemessenen Wohnraums für Hilfebedürftige zu beachten sind, um sicherzustellen, dass der Vergleich mit der Referenzgruppe gelingt (wozu in angespannten Wohnungsmärkten der Vergleich mit den Mieten im sozialen Wohnungsbau gehört; s Senatsurteil vom 1.12.2021 - L 32 AS 579/16, gegen das die zugelassene Revision nicht eingelegt worden ist).
4. Bei zentraler Warmwassererzeugung ist die Angemessenheitsgrenze für die Heizkosten um angemessene Aufwendungen für die Erzeugung von Warmwasser zu ergänzen (Anschluss an Senatsurteil vom 1.12.2021 aaO).
5. Die Kostensenkungsaufforderung muss keine Ausführungen dazu enthalten, ob der Leistungsträger die Kosten der Unterkunft und/oder die Kosten der Heizung als unangemessen betrachtet. Aus dem Urteil des BSG vom 19.5.2021 - B 14 AS 57/19 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 115, ergibt sich nichts anderes.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2016 geändert und der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 8. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2013 und des Bescheides vom 19. Juni 2013 verurteilt, den Klägerinnen insgesamt weitere 61,70 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Juli 2013 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägerinnen die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 40 v. H. zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren vom Beklagten als Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung weitere 167,05 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Juli 2013.
Die im Dezember 1968 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der im Juni 2001 geborenen Klägerin zu 2), für die sie mit deren Vater F G zusammen sorgeberechtigt war. Die Klägerin zu 2) war seit 1. August 2007 Schülerin an der KGrundschule.
Die Klägerinnen bewohnten eine 64,10 m² große Wohnung, die mit Gas beheizt wurde, in einem Gebäude mit einer Gesamtwohnfläche von 296,05 m² im A in B. Die Warmwassererzeugung erfolgte zentral mittels Gas. Die monatliche Gesamtmiete betrug ab 1. Juli 2012 679,01 Euro (341,01 Euro Nettokaltmiete, 124,00 Euro Vorauszahlung Betriebskosten kalt, 214,00 Euro Vorauszahlung Betriebskosten warm). Sie erhöhte sich zum 1. Januar 2013 auf 687,35 Euro monatlich (349,35 Euro Nettokaltmiete, 124,00 Euro Vorauszahlung Betriebskosten kalt, 214,00 Euro Vorauszahlung Betriebskosten warm).
Mit Schreiben vom 20. November 2009 hatte der Beklagte die Klägerin zu 1) darauf hingewiesen, dass die derzeitige Miete (von 607,91 Euro monatlich) den maßgebenden Richtwert für einen Zweipersonenhaushalt i.H.v. 444,00 Euro monatliche Bruttowarmmiete übersteige. Ihr wurde bis zum 10. Dezember 2009 Gelegenheit gegeben, Gründe vorzutragen, die Einfluss auf die Beurteilung der Angemessenheit haben könnten.
Daraufhin war von der Klägerin zu 1) das Schreiben des sozialpädagogischen Dienstes des Bezirksamtes R von B vom 4. Dezember 2009 vorgelegt worden, in dem auf einen besonderen sozialpädagogischen Förderbedarf hingewiesen worden war.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 war die Klägerin zu 1) zur Reduzierung der Kosten auf das angemessene Maß von 444,00 Euro monatlich mit dem Hinweis aufgefordert worden, auch im vorgelegten Schreiben seien keine triftigen Gründe erkennbar, die einen Umzug unzumutbar machen würden. Zugleich war darauf hingewiesen worden, dass ab 1. Juni 2010 nur noch ein Betrag in Höhe des Richtwertes als Bedarf anerkannt werden könne.
Ab 1. Juni 2010 hatte der Beklagte den Klägerinnen jeweils 244,20 Euro monatlich (wegen Alleinerziehung der Klägerin zu 1) statt zunächst jeweils 220,00 Euro monatlich) und ab 1. Mai 2012 jeweils 271,70 Euro monatlich wegen Inkrafttrete...