Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitigkeit über Abrechnungen nach der Coronavirus-Testverordnung idF vom 21.9.2021 (juris: CoronaTestV 2021-10). Betrieb eines Testzentrums als beauftragter Dritter. Regressforderung. Aufrechnung gegenüber einer Honorarforderung eines Vertragsarztes. fehlende Aufrechnungslage
Leitsatz (amtlich)
Die Kassenärztliche Vereinigung kann gegenüber der Forderung auf Abschlagszahlung auf das vertragsärztliche Honorar eines Vertragsarztes, der als sogenannter "beauftragter Dritter" im Sinne von § 6 Abs 1 Nr 2 CoronaTestV idF vom 21.9.2021 ein Testzentrum betrieben hat, mangels Aufrechnungslage nicht mit einer Regressforderung nach § 7a Abs 5 CoronaTestV aufrechnen, da die Regressforderung materiell-rechtlich nicht der Kassenärztlichen Vereinigung zusteht und eine Verrechnung gemäß § 7a Abs 5 S 5 TestV auf Forderungen von Leistungserbringern nach §§ 7 und 13 TestV beschränkt ist.
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts für das Saarland vom 1.6.2023 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass seine Forderung auf Vorauszahlung für den Monat April 2023 nicht durch Aufrechnung erloschen ist.
Der Antragsteller ist Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie und nimmt in seiner Praxis in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Von Dezember 2021 bis November 2022 hatte er als sogenannter „Beauftragter Dritter“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung vom 21.9.2021 zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (künftig: TestV) u.a. ein Testzentrum in Völklingen betrieben.
Mit Bescheid vom 13.1.2023 setzte die Antragsgegnerin für die Monate Dezember 2021 bis einschließlich Mai 2022 auf der Grundlage der vom Antragsteller eingereichten Abrechnungen des o.g. Testzentrums eine Regressforderung in Höhe von insgesamt 859.567,67 Euro gegenüber dem Antragsteller fest. Die Auszahlungen für die Monate April und Mai 2023 in Höhe von 91.815,21 Euro und 64.338,17 Euro behielt die Antragsgegnerin ein, so dass eine Restforderung in Höhe von 703.414,29 Euro verblieb.
Gegen diesen Regressbescheid erhob der Antragsteller Widerspruch. Mit Beschluss vom 3.4.2023 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.1.2023 unter Ziffer 1 festgesetzten Rückforderung in Höhe von 703.414,29 Euro an.
Mit Schreiben vom 12.4.2023 erklärte die Antragsgegnerin mit der festgesetzten Rückforderung in Höhe von 703.414,29 Euro die Aufrechnung gegenüber der Forderung des Antragstellers auf Abschlagszahlung auf das vertragsärztliche Honorar in Höhe von 50.000 Euro.
Der Antragsteller hat am 21.4.2023 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 13.1.2023 wiederherzustellen (Antrag zu 1) und festzustellen, dass seine Forderung auf Auszahlung der Abschlagzahlung für den Monat April nicht durch Aufrechnung erloschen sei (Antrag zu 2).
Er ist der Auffassung, dass die Aufrechnung der Antragsgegnerin unwirksam sei, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung unwirksam sei. Selbst eine wirksame Anordnung hätte aber nicht dazu geführt, dass die Forderung durch Aufrechnung erloschen sei. Denn die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung der Regressforderung mit den Abschlagzahlungen lägen nicht vor. Es fehle bereits an einer Aufrechnungslage. Im Hinblick auf seine prekäre wirtschaftliche Lage bestehe auch ein Anordnungsgrund. Eine Liquidität sei derzeit nicht gegeben. Insgesamt verzeichne der Praxisbetrieb zur Zeit ein Defizit in Höhe von über 70.000 Euro. Sein Konto sei derzeit mit 60.000 Euro im Negativsaldo. Ein Sofortvollzug und der angekündigte Einbehalt von Abschlagzahlungen und Honoraren würden seinen wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Dies wäre auch der Fall, wenn die Abschlagzahlungen nur teilweise einbehalten würden. Ihm würde ein Schaden entstehen, der im Nachgang bei für ihn positiven Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht mehr reparabel wäre. Der Antragsteller hat insoweit umfangreiche Unterlagen vorgelegt (kurzfristige Erfolgsrechnung und Wertnachweise, Jahres- und Entwicklungsübersicht, Schreiben des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers B... vom 22.5.2023).
Die Antragsgegnerin hat auf Anfrage des Sozialgerichts für das Saarland (SG) hinsichtlich der konkreten Abrechnungswege mitgeteilt, dass die als Dritte beauftragten Teststellenbetreiber - so auch der Antragsteller - monatlich ihre Abrechnungen im Wege eines digitalen Uploads über ein speziell zu diesem Zweck auf der Webseite der Antragsgegnerin eingerichteten Portal eingereicht hätten. Hierbei werde die Anzahl der durchgeführten Tests übermittelt. Auf dieser Grundlage fordere sie beim Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) die sich hieraus ergebenden finanziellen Mittel an. Seien diese finanziellen Mittel bei ihr eingegangen, würden sie an d...