Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsanspruch des Krankenhauses wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung. Krankenkasse. Verpflichtung zur zeitnahen Prüfung der Krankenhausrechnung. kein Ausschluss der Aufrechnung mit daraus resultierender Erstattungsforderung bei späterer Prüfung und Übersteigen der Bagatellgrenze
Leitsatz (amtlich)
Eine Krankenkasse ist verpflichtet, eine Krankenhausrechnung zeitnah zu prüfen. Erfolgt die Prüfung erst später und ergibt sich dabei, dass die Krankenhausrechnung ohne Verschulden des Krankenhauses wegen Fehlens eines Abschlages nach § 3 Abs 1 KFPV 2004 unrichtig ist, ist eine Aufrechnung durch die Krankenkasse mit der daraus resultierenden Erstattungsforderung nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn die Forderung über 100 Euro (ab dem 25.3.2009: über 300 Euro) liegt und zudem mindestens 5 % der Ausgangsrechnungswertes erreicht (Anlehnung an die vom BSG im Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R = BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20 entwickelte Bagatellgrenze).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 24.09.2009 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4,36 € zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassenen Krankenhauses in S.. Am 16.10.2004 wurde die bei der Beklagten krankenversicherte M.-T. K. um 3:00 Uhr im Krankenhaus der Klägerin stationär aufgenommen und um 13:15 Uhr entlassen. Um 20:11 Uhr wurde sie in dem Klinikum M. erneut zur Durchführung einer vollstationären Behandlung aufgenommen.
Mit Rechnung vom 25.10.2004 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 1.074,88 €. Gestützt wurde das Zahlungsverlangen auf die DRG-Ziffer I71Z, wobei ein Abschlag wegen Unterschreitung der Grenzverweildauer (GVD) berücksichtigt wurde. Die Rechnung wurde zunächst voll - unter Vorbehalt - beglichen.
Mit Schreiben vom 17.11.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Abrechnung möglicherweise fehlerhaft gewesen sei, und bat um Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Da die Klägerin dem nicht nachkam, verrechnete die Beklagte am 05.01.2009 den geleisteten Betrag mit unstreitigen Forderungen der Klägerin. Am 10.03.2009 überwies die Beklagte 697,37 € an die Klägerin.
Am 28.05.2009 hat die Klägerin Klage erhoben auf Zahlung von 1.074,88 €; im Hinblick auf die bereits gezahlten 697,37 € hat sie dann während des Klageverfahrens ihre Forderung auf 377,51 € reduziert.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe zu keinem Zeitpunkt Kenntnis darüber gehabt, dass die Patientin innerhalb von 24 Stunden nach der regulären Entlassung erneut in ein anderes Krankenhaus aufgenommen worden sei. Insoweit habe sie den Verlegungsabschlag nicht durchführen können, sondern nur den Abschlag bei Unterschreitung der unteren GVD. Wäre die Tatsache, dass die Patientin noch am Entlassungstag erneut in einem anderen Krankenhaus stationär aufgenommen worden sei, ihr mitgeteilt worden, wäre die Rechnung geändert worden. Die Beklagte habe aber erst nach über 4 Jahren im Dezember 2008 pauschal mitgeteilt, die Rechnung verstoße gegen Abrechnungsbestimmungen. Es werde ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.09.2009 hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.074,88 € abzüglich am 10.03.2009 gezahlter 697,37 € nebst 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.01.2009 zu zahlen; von den Kosten des Rechtsstreits hat das SG der Klägerin 2/3 und der Beklagten 1/3 auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei zu der vorgenommenen Rechnungskorrektur nicht mehr berechtigt gewesen. Zwar stehe entgegen der Auffassung der Klägerin dem nicht die Einrede der Verjährung entgegen. Denn die Verjährung schließe gemäß § 215 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung dann nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen sei, in dem erstmals hätte aufgerechnet werden können. Ausgehend von der hier nach der Rechtsprechung des BSG geltenden vierjährigen Verjährungsfrist sei der streitgegenständliche Rückforderungsanspruch der Beklagten frühestens am 31.12.2008 verjährt gewesen. Dieser habe somit der Forderung der Klägerin, gegenüber der die Beklagte aufgerechnet habe und die nach ihrem unbestrittenen Vortrag aus dem Jahr 2008 stamme, noch damals aufrechenbar gegenüber gestanden. Die Aufrechnung sei jedoch treuwidrig gewesen. Denn eine Überprüfung eines Leistungsfalles erst nach über 4 Jahren sei nach Auffassung der Kammer unzulässig, sodass daraus auch kein Rückforderungsanspruch geltend gemacht werden könne. Zwar existiere keine ...